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Montag, 9. Januar 2017

Das richtige Rüstzeug - Trends bei Bekleidung und persönlicher Ausrüstung

Im Trend: Modulare Ausrüstung und Bekleidung und moderne Tarnschemen wie hier der vom WIWeB mit der Truppe entwickelte neue deutsche Multitarndruck. Foto: Bundeswehr

von Jan-Phillipp Weisswange

So sehr sich Ausrüstungsfetischisten („Geardos“) und Anzugsvorschriftenreiter streiten – Einigkeit herrscht darüber, daß zweckmäßige Bekleidung und persönliche Ausrüstung eine Schlüsselrolle für die Kampfkraft des Soldaten einnehmen. In kaum einem anderen Bereich ging die Entwicklung in den letzten Jahren so schnell voran, wie hier.

Großbritannien startete 2009 damit, das Clothing System 95 durch das „Personal Equipment and Common Operational Clothing (PECOC)” und dann durch das „Personal Clothing System (PCS)“ zu ersetzen. Das Projekt VIRTUS wiederum umfasst die Trage- und Schutzausstattung und ergänzt PCS. Äußerlich lässt sich die neue Ausstattung am Multi Terrain Pattern (MTP) erkennen. Es stammt ebenfalls von Crye Precision und löst das klassische Disruptive Pattern Material (DPM) ab.
Russland brachte um die Jahrtausendwende sein „Barmitsa-Programm“ auf den Weg. Dieses umfasste neue Kampfuniformen in diversen Tarnmustern, aber auch ballistische Schutzwesten und Helme, eine modifizierte Trageausstattung und ein Schlafsacksystem. Ende des letzten Jahrzehntes lief das Modernisierungsprogramm Ratnik an, inzwischen ist die dritte Stufe in Arbeit
In Deutschland liefen längere Zeit zwei Entwicklungen parallel, um die noch immer getragene Kampfbekleidung 90 ersetzen können: Die „Bekleidungs-, Schutz- und Trageausstattung(BST)“ des „Infanterist der Zukunft – Erweitertes System (IdZ-ES) und die „Kampfbekleidung Einsatz/Übung“ aus dem WIWeB. Derzeit werden beide Systeme zum „Kampfbekleidungssatz Streitkräfte“ harmonisiert.
Die Ausrüstungsschichten – „Lines of Gear“
Bekleidung und persönliche Ausrüstung gelten inzwischen als modulares System, das grundsätztlich aus drei Lagen – den „Lines of Gear (Ausrüstungsschichten)“ besteht:

  • „First Line“: „Alles, was Du zum Überleben brauchst“ – also Waffe, sowie die Bekleidung am Körper und die darin mitgeführte Ausstattung.
  • „Second Line“: „Alles, was Du zum Kämpfen brauchst“ – hierzu zählen Trageausstattung und ggf. Schutz.
  • „Third Line“: „Alles, was Du zum Leben im Felde benötigst“ – oder kurz der „Luxus“, wie etwa Schlafsack, Biwakausrüstung, Kocher, großer Rucksack etc.

Selbstverständlich gibt es Überschneidungen oder „Zwischenschichten“. So ließe sich beispielsweise ein Gefechtsgurt mit Holster und Zweitwaffe als „1,5 line“ klassifizieren. Ein kleiner Patrouillen- oder Tagesrucksack, der Kampfmittel oder ein weitreichendes Funkgerät enthält, ließe sich wiederum einer „2,5 line“ zurechnen.
Alle drei Ausrüstrungsschichten am Mann. Foto: MoD Norwegen
Der Modulgedanke erlaubt es zudem, einzelne Ausrüstungsstücke oder gar Waffen missionsspezifisch in anderen Schichten zu verstauen. So kann beispielsweise die Pistole im abgesessenen Einsatz z. B. im Oberschenkelholster und damit in der „First Line“ sitzen, während sie im aufgesessenen Einsatz schnell zugriffsbereit auf die Frontplatte der Schutzweste wandert – also in die „Second Line“.

Modulare Ausrüstung
Auch die Ausrüstung selbst fällt modular aus. Einen regelrechten Schub erhielt dieses Thema durch das 1997 bei den US-Streitkräften eingeführte Tragesystem „Modular Lightweight Load-carrying Equipment“ (MOLLE) mit dem „Pouch Attachment Ladder System“ (PALS). Dank eines Bändergeflechtes lassen sich die zugehörigen oder kompatiblen Taschen individuell an Westen, Rucksäcken oder Gürteln anbringen. Das System gilt inzwischen als Standard.
Britischer Füsilier im neuen Kampfanzug in Multi-Terrain-Pattern. Die persönliche Ausrüstung ist PALS-kompatibel. Foto: MoD UK

Das PALS findet sich inzwischen in ähnlicher Form an etlichen modernen Ausrüstungssystemen anderer Streitkräfte wieder. Auch die Bekleidungs-Schutz- und Trageausstattung des IdZ-ES und die in Planung befindliche modulare Ballistische Schutz- und Trageausstattung (MOBAST) der Bundeswehr sind damit kompatibel.

Schutz Schicht für Schicht
Bekleidung und persönliche Ausrüstung erfüllen vielfältige Schutzfunktionen. So halten sie nicht nur Kälte, Nässe, Sonnenstrahlung oder schädliche Vektoren wie Zecken und andere Blutsauger ab. Sie tragen nach dem Zwiebelprinzip – Schicht für Schicht – auch erheblich zur Überlebensfähigkeit des Soldaten bei. Das Zwiebelprinzip beschreibt den schicht- oder stufenweisen Schutz gegen Bedrohungen von außen nach innen. Dabei gilt es, Schäden möglichst weit außen zu vermeiden.

Wirkung vor Deckung!

Wirkung geht vor Deckung! Wer früher eine Bedrohung erkennt und sie mit der angemessenen Intensität bekämpft besteht im Einsatz. Leistungsfähige Sensoren und Effektoren ergänzen daher die Bekleidung und persönliche Schutzausstattung.
Moderne Gefechtshelme bieten heute Schnittstellen, um die Leistungsfähigkeit der Augen und Ohren des Soldaten als dessen natürlichen Sensoren zu steigern. In diesem Zusammenhang sei noch einmal besonders auf Nachtsichtgeräte hingewiesen. Gegenwärtig verschafft die Nachtkampffähigkeit noch taktische Vorteile. Es lässt sich aber absehen, dass Fähigkeitslücken diesbezüglich schon bald zu einem dramatischen Verlust der Kampfkraft und des Einsatzwertes führen werden – selbst wenn es gegen irreguläre Kräfte geht. Ein leistungsfähiger aktiver Gehörschutz kann nicht nur das Gehör vor Schäden bewahren, sondern das Hörvermögen auf dem Gefechtsfeld verstärken und den Funkverkehr erleichtern. Damit zählt er ebenfalls zu den Kampfkraftmultiplikatoren.

Lasse Dich nicht erkennen!
Vom Feind nicht erkannt oder gar entdeckt zu werden, stellt die nächste Schutzstufe dar. Bekleidungsseitig trägt hierzu vor allem ein Tarnmuster bei. Ob man sich letztlich für möglichst universelle Muster wie MultiCam entscheidet, oder verschiedene Muster für verschiedene Umgebungen wie die PenCott-, Kryptek- oder neuen MultiCam-Paletten nutzt, bleibt eine Philosophiefrage. Die Bundeswehr hält grundsätzlich an der Praxis fest, diverse Muster auszugeben. Ihre Musterpalette aus Fünf-Farb-, Drei-Farb-, Wüsten- und Wintertarndruck wird demnächst um einen „Multitarndruck“ ergänzt. Dieses attraktive, vom Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) der Bundeswehr entwickelte Muster hat in Streitkräftekreisen für Furore gesorgt und stieß auch in der öffentlichen Berichterstattung bereits auf hohes Interesse.
Gebirgsjäger mit G27P im Manöver. Der neue deutsche Schneetarndruck entstand ebenfalls im WIWeB. Foto: Bundeswehr
Aufgrund der immer größeren Verbreitung von Nachtsichttechnologie hat dieser Tarnaspekt vermehr an Bedeutung gewonnen. Auch hier gibt es verschiedene Ansätze. Bluecher, Hexonia, Fibrotex, W.L. Gore oder SSZ haben in den letzten Jahren diverse Konzepte entwickelt. SSZ Camouflage bietet mit dem „Infra Red Battle Dress (IRBD)“ speziell konstruierte und beschichtete Kampfuniformen an, die im thermischen Infrarot nur eine geringe Signatur aufweisen. Fibrotex hat kürzlich den Überanzug „Nightwalker“ vorgestellt, der seinen Träger dank Reflektionstechnologie für Nachtsichtgeräte schwer erkennbar macht.
Fibrotex "Nightwalker". Foto: JPW

Schon seit einigen Jahren gibt es die Idee, ein vorbildliches natürliches Tarnkonzept umzusetzen – nämlich das des Chamäleons, das sich schnell wechselnden Umgebungen anpassen kann. Guy Cramer stellte zudem seine „Quantum Stealth“-Technologie vor. Sie soll durch die Krümmung von Lichtwellen um das Ziel herum dieses vor visueller, Infrarot- und thermischer Aufklärung schützen.
Doch egal, aus welchen Materialien der Dienstherr die Kampfuniform schneidern ließ, welche weitere Textilausrüstung er für sie wählte und welches Muster er darauf drucken ließ: Die Nutzung natürlicher Tarnmittel, Bewegungs-, Geräusch- und Lichtdisziplin und weitere Fertigkeiten bleiben unabdingbar, um sich der feindlichen Aufklärung zu entziehen.

Lasse Dich nicht treffen!
Hat der Gegner einen doch entdeckt, kommt es darauf an, sich schnell wieder seiner Sicht und damit präzisen Wirkmöglichkeiten zu entziehen. Nebelgranaten wie etwa SPIRCO mit schnell stehendem Nebel können die Sichtlinie rasch unterbrechen.
So lange es noch keinen kugelsicheren Nebel gibt, empfiehlt es sich darüber hinaus, möglichst schnell in die nächste Deckung zu gelangen. Eine leichte Ausrüstung erhöht dabei die Geschwindigkeit – und hohe Mobilität bedeutet ebenso Schutz! Gewichtsersparnis zählt daher zu den Dauerthemen bei der Weiterentwicklung insbesondere ballistischer Schutzausrüstung. Hier betreiben Hersteller ballistischer Werkstoffe wie 3M, CeramTec, DuPont, Dyneema, Schunk, H.C. Starck oder Teijin intensive Forschungsarbeit. Die hat in den letzten Jahren zu beeindruckenden Ergebnissen geführt. Dennoch wird sich die grundsätzliche Frage, ob man lieber hinsichtlich der Mobilität oder des Schutzes Abstriche macht, immer wieder stellen.

Separat getragene oder in die Kampfbekleidung integrierte Protektoren an Knien und Ellenbogen sorgen zwar für keinen ballistischen Schutz, bewahren aber trotzdem vor Verletzungen bei Bewegungen auf dem Gefechtsfeld.
Ein weiteres Element der hier behandelten Schutzschicht sind Störsender. Die sollen vor allem verhindern, daß über Funksignal ferngezündete Sprengfallen (Radio Controlled Improved Explosive Devices, RCIEDs) auslösen können. Manngetragene Geräte werden von einigen Firmen angeboten und befinden sich bereits seit einigen Jahren im Einsatz. Dennoch darf man das eigene Gefahrenradar nicht abschalten, denn IEDs lassen sich auf verschiedenste Weisen zünden und der Gegner zeigt sich flexibel und einfallsreich.

Lasse Dich nicht penetrieren!
Die ballistische Schutzausstattung erfüllt den wesentlichen Zweck, die Wirkung feindlicher Treffer durch Beschuss oder Splitter möglichst vollständig abzumildern. Üblicherweise besteht sie aus einem weichballistischen Grundschutz und hartballistischen Einschüben, um besonders lebenswichtige Körperpartien auch gegen Langwaffenmunition abzuschirmen. Es gibt darüber hinaus so genannte „Stand Alone-Platten“, die ohne zusätzlich getragene Weichballistik auskommen. In Deutschland zählen Mehler Vario System, Rheinmetall Ballistic Protection und BSST zu den wesentlichen Anbietern ballistischer Schutzausstattung.

Plattenträger aus Hybrid-Laminat und flammfeste Kampfbekleidung von Lindnerhof-Taktik. Foto: JPW
Wesentliche Grundmaterialien ballistischer Schutzausstattungen sind nach wie vor Aramide, Hochleistungspolyethylene (HPPE) sowie Keramiken, und hier insbesondere Siliziumcarbid- und Borcarbid-Keramiken. Oftmals werden die Materialien miteinander verbunden.
Wie bereits weiter oben erwähnt, gibt es in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte, um bestmögliche Komprisse zwischen Schutzwirkung und Gewichtsersparnis zu erreichen. Das führte leider bei einigen in der Truppe mitunter zu der Ansicht „Platte ersetzt Deckung“ – ein gefährlicher Irrglaube!
Dieselben Protagonisten, die sich dank Plattenträger und Go-Pro-Kamera auf dem Helm unverwundbar glauben, lehnen eine weitere Entwicklung der Körperpanzerung erfahrungsgemäß als „not tacticool“ ab: den Unterleibs- oder Beckenschutz. Hier geben die US-amerikanischen und britischen Streitkräfte entsprechende „Pelvic Protection Systems“ aus, die an überdimensionierte, über der Hose getragene tarnfarbene Windeln erinnern.
In der Tat gibt es insbesondere gegen die IED-Bedrohung komfortablere Alternativen. IEDs wirken durch Explosionsdruck, Hitzeentwicklung sowie Primär- und Sekundärsplitter. Gerade kleine Steine, Staub, Sand, Kleinstsplitter und weitere Fragmente verursachen großflächige penetrierende Verletzungen. Die entfalten vor allem durch ihre septische Wirkung erhebliche Gefahr für die Genesung. In den letzten Jahren haben sich insbesondere BCB, Blücher und Hexonia engagiert, um entsprechende Schutzbekleidung zu entwickeln. Die „BALUW“-Unterbekleidung von Hexonia weist beispielsweise flammhemmende Eigenschaften auf, bietet dank verbauter Dyneema-Fasern großflächigen ballistischen Schutz und lässt sich dank ihres anatomischen Schnittes auch bequem tragen.
Blücher hat seine persönliche Schutzbekleidungslinie „Saratoga“ um eine umfangreiche, ebenfalls flammhemmende und leichte Splitterschutzkollektion ausgeweitet. Zum modular aufgebauten Sortiment gehört diverse Unterwäsche – optional auch mit zusätzlichen einschiebbaren ballistischen Verstärkungen. Dazu kommen weitere Oberbekleidungsstücke, ein Beckenbereichsschutz sowie Hals- und Gesichtsschutz.
Auch ballistische Schutzbrillen halten Splittern stand und retten das Augenlicht. Die Bundeswehr beschafft weiterhin das bereits in Nutzung befindliche Sawfly-Kit von Revision. Weit verbreitet sind zudem Produkte von 3M, ESS, Wiley-X und natürlich Oakley.
Ein weiterer Aspekt ist der Flammschutz. Dieser lässt sich durch eine flammfeste Ausrüstung von Textilien oder Verarbeitung flammhemmender Materialien (z. B. Meta-Aramide wie Nomex oder Kermel) erreichen. Lindnerhof-Taktik liefert derzeit die mit der Gore Pyrad-Technologie ausgestattete „Einsatzkampfbekleidung mit Flammschutz für Spezialkräfte“ an die Bundeswehr aus. Auch andere Hersteller wie UfPro bieten flammhemmende Kampf- und Einsatzbekleidung an.
Was ebenfalls nicht in den Körper eindringen soll, sind Kampfstoffe. Hier helfen neben der ABC-Schutzbekleidung auch spezielle Kampfuniformen mit integriertem ABC-Schutz. In diesem Feld bietet Blücher Systems seine bewährte ABC-Technologie aus der Saratoga-Familie an. Atemschutzmasken wie beispielsweise die Produkte von Avon oder Dräger ergänzen das Sortiment.

Lasse Dich nicht töten!
Dieser Abschnitt behandelt zugegebenermaßen den unangenehmsten Teil der Thematik. Er lässt sich aber nicht ausblenden. Ein Treffer bedeutet – je nach Lage und Grad der Verletzung – mindestens eine temporäre Minderung der Kampfkraft. Aufgrund der heute eingesetzten Waffen und Kampfmittel muss man jedoch meist von schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Verwundungen ausgehen.
Und dennoch: Ein Treffer bedeutet keineswegs das Ende des Kampfes! Die Überlebenschancen eines Verwundeten hängen maßgeblich davon ab, wer wann die ersten Maßnahmen zur Verwundetenversorgung leistet. Hier helfen natürlich eine entsprechende Erweiterte Ausbildung bei der Selbst- und Kameradenhilfe (Tactical Combat Casualty Care/TCCC). Dazu kommen ausrüstungsseitig zweckmäßig bestückte „Individual First Aid Kits (IFAKs)“. Sie umfassen unter anderem Tourniquets, um den Blutverlust bei Amputationsverletzungen oder anderen schweren Traumata einzudämmen. Dazu kommen spezielle Verbandpäckchen, Ausstattung zum Atemwegsmanagement, Infusionsbesteck und ggf. Medikamente. Das beste IFAK bleibt freilich nutzlos, wenn man den Umgang damit nicht blind beherrscht. An dieser Stelle sei auf die Tactical Rescue&Emergency Medicine Assosiation (TREMA, www.tremaonline.info) verwiesen, die in Deutschland das Thema TCCC maßgeblich vorantreibt.
Und an noch einen unangenehmen Aspekt sei erinnert: Es gibt nicht nur körperliche, sondern auch seelische Verwundungen. Vor Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und ihren oft dramatischen Folgen schützt keine Ausrüstung. Um so wichtiger erscheint, daß sowohl Dienstherr als auch Gesellschaft ihre Veteranen nicht alleine lassen.

Militärische Mode

In den letzten Jahren lassen sich regelrechte militärische Modetrends feststellen.
In Deutschland setzten sich seit Anfang dieses Jahrtausends Vieltaschen-Parkas („Multi-Pocket-Smocks“) für den Gefechtsdienst durch. Deren Ursprünge liegen im schweizerischen Kampfanzug 70 und in britischer maßgeschneiderter Tarnbekleidung der frühen 1990er Jahre. Zwar gibt die Bundeswehr die vielseitigen Jacken nicht querschnittlich aus, beschafft sie aber mitunter für Einsatzkontingente als Sonderausstattung. Die meisten Vorgesetzten dulden auch privat gekaufte Stücke oder tragen selbst solche. Auch wenn der Nicht-Fernspäher oder -Schafschütze oft nie das gesamte Fassungsvermögen in Anspruch nimmt.
Kampfhemden („Combat Shirts“) wiederum gehören in nahezu allen westlichen Streitkräften inzwischen zum Non-plus-ultra. Sie bestehen am Oberkörper aus leichten, eng anliegenden Funktionstextilien, während Ärmel, Schulterpartie und Kragen aus normalem Feldbekleidungsmaterial gefertigt sind. So lassen sie sich komfortabel mit der obligatorischen Schutzweste tragen. Teilweise weisen die Materialien zudem flammhemmende Eigenschaften auf.
Einsatzerfahrungen am Hindukusch gaben darüber hinaus den Ausschlag, Knie- und Ellenbogenschützer zu nutzen. Inzwischen steht Kampfbekleidung mit integrierten Protektoren zur Verfügung.
Österreichische Jagdkommandos in neuer Digitarn-Adjustierung, zu der auch Kampfhemden gehören. (Foto: Bundesheer)

Eine Philosophiefrage betrifft die zweite Ausrüstungsschicht. Sollen Schutzweste und Trageausstattung getrennt oder miteinander verbunden werden wie beispielsweise in einem Plattenträger? Beides bietet Vor- und Nachteile. Inzwischen gibt es aber Lösungen, die Trageausstattung wahlweise auf den Plattenträger zu schnallen oder gesondert als Brusttragesatz („Chest Rig“) zu nutzen. Modulare gepolsterte oder sogar gepanzerte Gefechtsgurte („Battle Belts“) finden immer häufiger Anhänger, da sie sich gut in Verbindung mit Plattenträgern oder Chest-Rigs einsetzen lassen.
Russisches Ratnik-System. Foto: JPW

Aufgrund der heutigen teilmechanisierten Gefechtsführung und der umfangreichen infanteristischen Ausstattung gewinnen kleine Durchschlagetaschen und -rucksäcke („Break-Away-Packs“) an Bedeutung. Sie lassen sich leicht und schnell zugriffsbereit im Fahrzeuginneren verstauen und bietet Platz für Ersatzmagazine, Wasser, Energieriegel und Notfallausrüstung, sollte man gewollt oder ungewollt absitzen und kämpfen müssen.
Die Lücke zwischen den großen Rucksäcken der dritten Ausrüstungsschicht (third line of gear)“ und der Kampfausstattung der zweiten Ausrüstungsschicht schließen Tages- oder Patrouillenrucksäcke („Patrol-Packs“). Diese übertreffen oft die Größe jener Tornister, mit denen einst die amerikanischen G. I. ‘s, britischen Tommys, deutschen Landser oder französischen Poilus in die Kriege des 20. Jahrhunderts marschierten. Allerdings bieten sie dank PALS-Befestigungsschlaufen eine deutlich bessere Modularität und ausgeklügelte Designs erlauben einen schnelleren Zugriff auf die Ausrüstung.

Leicht bleiben!
Egal, mit welchen Soldaten man sich wo über Ausrüstung unterhält – alle wünschen sich möglichst leichtes Equipment.
Das Gewicht lässt sich einerseits durch leichtere Materialien einsparen. Im Bereich des ballistischen Schutzes erreichen die Hersteller durch neue Fasergelege und Fertigungstechniken immer höhere Schutzklassen bei geringerem Gewicht. Fast alle Ausrüstungshersteller bieten ihre taktischen Produkte und Taschen inzwischen in Cordura-Material mit einer Fadenstärke von 500 statt der ursprünglich verwendeten 1.000 Denier an. Immer öfter kommen dazu ultraleichte Textilien.
Ein weiterer Ansatz lautet „Lightweight by Design“. So reduzieren die Hersteller ihre Taschen oder Westen auf das absolute Minimum, um Material und damit Gewicht zu sparen. Auch bei der Bekleidung gibt es solche Ansätze. So verbauen die Konfektionäre beispielsweise an stärker beanspruchten Stellen schwerere und stabilere Materialien als an solchen Körperpartien, an denen es vor allem auf Atmungsaktivität ankommt.

Frauen auf dem Vormarsch
In fast allen westlichen Ländern sehen sich die Streitkräfte mit sinkenden Bewerberzahlen konfrontiert.  Erste Staaten kehren daher vernünftigerweise zur Wehrpflicht zurück, die inzwischen beispielsweise in Norwegen und Schweden sogar für Frauen gilt. Doch egal, ob Ergebnis des „Kampfes um die besten Köpfe“ oder eines konsequenten Verständnisses von Gleichberechtigung: Immer mehr weibliche Aspiranten dienen inzwischen in Militär und Sicherheitsbehörden.
Norwegische Soldatinnen üben den Häuserkampf. Daß die aus dem Gebäude herausragende Mündung die Stellung verrät, ließe sich mit „Wirkung vor Deckung“ rechtfertigen. Aktiver Gehörschutz ist gut, Helm wäre noch besser – dafür ist Multicam stylish. (Foto: Mod Norwegen)

Nicht nur in der Bundeswehr gibt es daher Überlegungen, einerseits die Kampfbekleidung, andererseits auch die Schutz- und Tageausstattung sowie Rucksäcke ihrer Soldatinnen besser auf die weibliche Anatomie anzupassen.

Ausblick
In etlichen Ländern laufen derzeit Modernisierungsprogramme, um die Infanterie und abgesessen kämpfenden Kräfte in die vernetzte Operationsführung einzubinden. In diesem Zuge wird sich auch die Bekleidung und persönliche Ausrüstung modernisieren.
Unbemannte Systeme ergänzen zunehmend die Ausstattung – hier erproben Soldaten der 3/5 Marines im Zuge ihrer Einsatzvorbereitung die Praxistauglichkeit von UGV-Aufklärungssensorik (Foto: USMC/Daniel Betancourt)

Doch nicht nur dabei werden Modularität, Gewichtsersparnis und neue Materialien die Entwicklung der militärischen Bekleidung und persönlichen Ausrüstung bestimmen. Blue-Force-tracking, Freund/Feind-Erkennung, neue Sensoren wie Akustische Scharfschützenortungssysteme befinden sich in der Entwicklung. Unbemannte Systeme werden eingebunden, um das Lagebild zu verdichten. Doch so viel die Ausrüstung abdecken mag, mindestens ebenso wichtig bleibt die Ausbildung.
Darüber hinaus werden sich sicherlich nicht alle Erkenntnisse beispielsweise aus dem zivilen Extremsportbereich für militärische Anwendungen umsetzen lassen. Ebenso wird sich nicht jede am Reißbrett ersonnene Vernetzungsausrüstungsidee in der militärischen Praxis bewähren. Um so wichtiger bleibt der Dialog zwischen Anwendern, Industrie und Beschaffern.

Copyright 2017 by Jan-Phillipp Weisswange
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