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Donnerstag, 11. Juli 2013

Bundeswehrgemeinsame Einsatzorientierung - die neue Konzeption der Bundeswehr

Berlin (ww) Am 1. Juli 2013 erließ der Bundesminister der Verteidigung die neue „Konzeption der Bundeswehr“. Nur neun Tage später konnte auch die sicherheitspolitisch nicht ganz desinteressierte Minderheit unserer Bevölkerung die "KdB" auf der Bundeswehr-Internetseite nachlesen.
Die Befähigung zum Kampf gilt als höchster Anspruch für Personal, Material und Ausbildung.
Foto: Patrick von Söhnen/Bundeswehr
Bei einer ersten Kurzauswertung des 64 Seiten starken, aber etwas eigentümlich strukturierten Papiers fiel mir der bundeswehrgemeinsame Ansatz und die Einsatzorientierung einschließlich der Befähigung zum Kampf als deren Maßstab besonders positiv auf. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. In den folgenden Zeilen erlaube ich mir als jemand, der auf den Tag genau 22 Jahre vor Erlass dieses Dokumentes aus dem Bendlerblock Soldat wurde, einige kommentierende Bewertungen.


- Der Ansatz der „Bundeswehrgemeinsamkeit“ ersetzt die etwas unglückliche Formulierung des „teilstreikräfteübergreifenden“ respektive die deutlich bessere des „streitkräftegemeinsamen“ Ansatzes. Bundeswehrgemeinsamkeit schließt alle militärischen und zivilen Bereiche ein.


Selbstverständlich wurden der Hauptpersonalausschuss und der Gesamtvertrauenspersonenausschuss beim Bundesministerium der Verteidigung an der KdB beteiligt. Foto: Bundeswehr
- Die „Bundeswehrgemeinsamkeit“ wirkt sich auf Selbstverständnis und Organisationskultur der Bundeswehr aus: „Sie sind geprägt durch die Grundsätze der Inneren Führung mit dem Staatsbürger in Uniform, durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und des öffentlichen Dienstes sowie durch das gewachsene Dienstleistungsverständnis der Bundeswehrverwaltung. Dieses Selbstverständnis verdichtet die Kernbotschaft ‚Wir.Dienen.Deutschland.‘“

- Die Befähigung zum Kampf gilt „als höchster Anspruch an Personal, Material und Ausbildung“ und „ist der Maßstab für die Einsatzbereitschaft“. „Allgemeine militärische Fähigkeiten und Verfahren werden grundsätzlich so vermittelt, dass sie unter Gefechtsbedingungen beherrscht werden. Daher richtet sich die Ausbildung in den Streitkräften kontinuierlich an den Einsatzerfordernissen aus und hat die Befähigung zum Kampf als Ziel.“ Na also! Soldaten sollen nicht zu Verteidigungsbureaucraten degenerieren, sondern Wehrverwalter soldatischer werden!

- Der als Unwort empfundene Begriff der „Transformation“ taucht nur einmal und dann auch nur im Zusammenhang mit den Bündnissen im Text auf. Der grundsätzlich richtige Ansatz der ständigen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zur Erhöhung der Einsatzfähigkeit bleibt aber erhalten.

- Die Vernetzte Operationsführung („NetOpFü“) soll den „Verbund Führung-Aufklärung-Wirkung-Unterstützung („Verbund FAWU“ – Achtung, neue Vokabel!) zu schneller und effizienter Operationsführung befähigen.

- Künftig werden militärisch die Dimensionen Land, See, Luft, Weltraum und Informationsraum einschließlich Cyberraum betrachtet.

Die neue KdB betont mehrfach die strategische Bedeutung von Spezialkräften. Foto: Bundeswehr

- Die strategische Bedeutung von Spezialkräften wird im Abschnitt „Wirkung“ mehrfach klar betont.

- Personalgewinnung gilt angesichts der demographischen Entwicklung und der komplexeren Einsätze als strategische Aufgabe.

- In diesem Zusammenhang lässt der Begriff „Binnenarbeitsmarkt Bundeswehr“ aufhorchen: „In Rahmen des Personalmanagements sind alle Möglichkeiten auszuschöpfen und weiterzuentwickeln, um qualifiziertes Personal auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ggf. wieder- bzw. weiterzuverwenden. Gibt es demnächst also den „Berufsreservisten“, der bisher oft in Gestalt des „erfolgreichen Selbstständigen mit viel Zeit für Wehrübungen und hohen Ansprüchen an die Unterhaltssicherungsbehörde“ in Erscheinung trat?

- Die Bundeswehr wird in Zukunft stärker auf Leistungen privatwirtschaftlicher Anbieter zurückgreifen. Das gilt nicht nur für die Bereitstellung von Wehrmaterial, sondern auch für Dienstleistungen. Werden Private Military Companies (PMC’s) demnächst (noch stärker) den Kunden Bundeswehr entdecken?

Privatwirtschaftliche Dienstleister unterstützen bereits heute die Einsätze unserer Streitkräfte. Foto: Bundeswehr

- Der „Heimatschutz“ findet wieder prominent in der Auftrags- und Aufgabenbeschreibung Berücksichtigung. Man fragt sich, ob die durch den seinerzeitigen Stellvertreter des Generalinspekteurs und Inspekteurs der Streitkräftebasis so eifrig betriebene Auflösung der Heimatschutzbataillone mit ähnlichen Eifer wieder rückgängig gemacht werden sollte. Im Zusammenhang mit der Einsatzorientierung und der Befähigung zum Kampf kann ich außerdem nur vielen Angehörigen des Reservistenverbandes den kameradschaftlichen Hinweis geben, endlich zu den Wurzeln zurückzukehren, statt „Flecktarn-THW“ spielen zu wollen.

Im Übrigen: Die KdB verzichtet zwar nicht auf das verteidigungsbureaucratische Gendern („Reservistendienst Leistende“, „der militärische Führer bzw. die militärische Führerin“). Sie bleibt dabei aber – im drastischen Gegensatz zu mühevoll umgeschriebenen Dienstvorschriften – einigermaßen übersichtlich. Möglicherweise folgt dies aus der mehrfach betonten Einsatzorientierung, denn im Kriege hat ja bekanntlich nur das Einfache Erfolg. Und das erfordert eine klare, einheitliche Sprache.
Daß es demnächst komplexer sein wird, diese klare, einheitliche Sprache zu sprechen, tritt schon bei der kursorischen Durchsicht der KdB klar zum Vorschein. Denn genau genommen müssen bundeswehrgemeinsam mehrere Sprachen synchronisiert werden: Die militärische der Soldaten, die englische der Bündnisse, die verwaltungsrechtliche der Beamten, die philosophische der Sicherheitspolitiker sowie der Inneren Führung, die gegenderte des Zeitgeistes und nicht zuletzt das Wirtschaftsdenglisch derer, die sich noch immer einbilden, Streikräfte funktionierten wie privatwirtschaftliche Unternehmen (ich möchte nicht wissen, was die Passagen über „Steuerung nach Wirkung und Wirtschaftlichkeit“ gekostet haben und noch kosten werden).

Als Lichtblicke erweisen sich – zu guter Letzt – einige Abschnitte, die sicherheitspolitische Fehlentwicklungen zumindest andeutungsweise ansprechen. Ein Beispiel hierfür: „Die allgemeine Wehrpflicht bleibt im Grundgesetz verankert. Für die langfristige Sicherheitsvorsorge bleibt der Bundeswehr damit die grundsätzliche Befähigung zu einem Aufwuchs für derzeit nicht absehbar erforderliche Fähigkeiten erhalten.“ Es bleibt zu hoffen, daß die Mehrheit der Bevölkerung für eine "langfristige Sicherheitsvorsorge" Interesse zeigt.

Jan-Phillipp Weisswange