Karlsruhe (JPW) Die Bundesregierung und der Gesetzgeber überlassen sicherheitspolitische Grundsatzentscheidungen gerne Ersatzgesetzgebern wie dem Bundesverfassungsgericht oder dem Europäischen Gerichtshof. Das weiß jeder, der den deutschen sicherheitspolitischen Entwicklungsprozess seit 1990 aufmerksam verfolgt hat.
Derjenige, der die dreifache Demilitarisierung Deutschlands (strukturell, industriell und intellektuell) gleich aus drei Perspektiven - als Soldat, Sicherheitspolitiker und Schreiber - miterlebt hat, wundert sich also über wenig. Auch nicht über die Pegasus-Posse, die heute mit der Entscheidung des zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes endlich zu Ende ging.
Zur Erinnerung: Am 26. Februar 2011 evakuierten deutsche Soldaten deutsche und weitere Staatsbürger von einem Flugfeld in der libyschen Wüste. Dies ging als "Operation Pegasus" in die deutsche Militärgeschichte ein. Nun könnte man meinen, die politische Führung hätte spätestens im gut sechs Jahre zuvor beschlossenen Parlamentsbeteiligungsgesetz alles notwendige zu solchen Einsätzen geregelt - konkret im Paragraph 5, wo es um Einätze bei "Gefahr im Verzug" geht, die keiner vorheriger (!) Zustimmung des Bundestages bedürfen. Über die Frage einer nachträglichen Zustimmung gab es dann über vier Jahre lang ein unwürdiges politisch-juristisches Hickhack auf dem Rücken der Soldaten. Ein trauriger Höhepunkt war es, das ganze als "Auslandsdienstreise unter Mitführung von Waffen" zu erklären.
Die Pegasus-Posse ging heute mit der
Entscheidung aus Karlsruhe zu Ende (2BvE 6/11). Fortan wissen wir: Der Einsatz war gerechtfertigt, das Parlament ist weiterhin bei Bundeswehr-Auslandseinsätzen zu beteiligen und eine nachträgliche Abstimmung braucht es nicht, wenn die Operation zum Zeitpunkt einer möglichen Befassung damit schon abgeschlossen ist.
Ja, Karlsruhe hat Berlin einmal mehr den politischen Spielraum ausgestaltet. Ja, Karlsruhe hat dem Parlament den Rücken gestärkt. Und nein, die Angehörigen der Parlamentsarmee haben wieder einmal mehr keinen Grund dazu, auf ihr Parlament oder ihren Dienstherrn stolz zu sein.
Jan-Phillipp Weisswange