Colt M45A1 CQB im scharfen Schuss. Foto: USMC |
Nein! Die Zeiten, in denen die Pistole eher als Erkennungszeichen militärischer Führer diente oder Großgerätebedienern, Piloten und sonstigem Spezialpersonal eine vage Verteidigungsmöglichkeit an die Hand geben sollte, gehören allmählich der Vergangenheit an. Das spiegelt sich nicht zuletzt in gründlicherer Ausbildung und neuen Beschaffungen wider.
In vielen Streitkräften dient die Pistole inzwischen querschnittlich als Zweit- oder neudeutsch „Backup-“ Waffe. Fällt die Hauptwaffe – in der Regel das Sturmgewehr – im Feuerkampf aus, kann ein geübter Schütze den Gegner mit der Pistole zumindest kurzfristig niederhalten. Zudem lässt sich die Kurzwaffe in beengten Umgebungen wie in Fahrzeugen, Flugzeugen, an Bord von Schiffen oder im urbanen Gelände schneller in Anschlag bringen und einsetzen, als eine Langwaffe. Weiterhin erfüllen Pistolen spezielle Zwecke, vor allem in Verbindung mit Schalldämpfern.
Norwegischer Soldat mit HK416 als Haupt- und Glock17 als Zweitwaffe. Foto: MoD Norwegen |
Konventionelle Kurzwaffen
Kurioserweise setzen viele Streitkräfte auf weitgehend konservative Kurzwaffenkonstruktionen. So bestellte die U.S. Army erst im September 2012 bei Beretta 100.000 Stück des 1987 als M9 eingeführten Modells 92F. Das U.S. Marine Corps beschaffte im Juli 2012 für seine Fernspäh- und Spezialkräfte 12.000 Colt M1911A1 Rail Guns als neue “M45A1 Close Quarter Battle Pistol (CQBC)”.
Colt M45A1 CQB. Foto: JPW |
Weitere Waffen im US-Pistolenarsenal sind die bewährte SIG Sauer P226 (alias MK-25) in 9 x 19 mm sowie die Heckler&Koch USP Tactical Compact im Kaliber .45. Beide Modelle werden hauptsächlich von Spezialkräften genutzt.
Global Glock
Gaston Glocks Pistole 17 zählt nach wie vor zu den am meisten genutzten Dienstpistolen. Das österreichische Bundesheer machte den Anfang. In den Streitkräften der Alpenrepublik ist die Neun-Para-Waffe mit dem Safe-Action-Abzugssystem als P80 bekannt. Weiterhin dient sie in Dänemark, den Niederlanden, Norwegen, den USA und vielen weiteren Staaten. Als jüngster Nutzerstaat kam kürzlich Großbritannien hinzu. Die Streitkräfte ihrer Majestät beschaffen sie in der Ausführung Generation 4 als Standard-Kurzwaffe. Die Glock 17 Generation 4 zeichnet sich vor allem durch anpasspare Griffgrößen aus.
Glock 17 Gen 4 mit austauschbaren Griffrücken. Foto: Glock |
Die Spezialkräfte der Schweizerischen Armee beschaffen ebenfalls Glock-Pistolen als neue Faustfeuerwaffen, während die übrigen eidgenössischen Wehrmänner weiter die SIG P220 alias Pistole 75 nutzen. Die Glock 17 konnte sich in einem Testverfahren, an dem das Armee-Aufklärungsdetachement 10, die Militärische Sicherheit sowie die Beschaffungsbehörde Armasuisse beteiligt waren, gegen die übrigen Mitbewerber durchsetzen. Zum Lieferumfang gehören Pistolen Glock 17 Generation 4 und Glock 26 Generation 4 – beide im Kaliber 9 mm x 19. Dazu kommen die auf die FX- und ATK-Trainingsmunition ausgelegten Versionen Glock 17 T und Glock 26 T.
In der Bundesrepublik sind die Deutsch-Wagramer derzeit vor allem bei Polizeibehörden im Einsatz. Hier dient eine u. a. mit Tritium-Visierung modifizierte Variante der Glock 17 als P9M (für „Maritim“) in der GSG9 der Bundespolizei.
Glock P9M (oben) und Glock 17 Generation 3. Foto: JPW |
Aus deutschen Landen
Angesichts der ausbildungsbedingten höheren Schussbelastungen ihrer Kurzwaffen beschafft die Bundeswehr inzwischen die Heckler&Koch P8A1 sowie die mit reinem Entspannhebel statt des kombinierten Sicherungs- und Entspannhebels ausgestattete P8 Combat A1.
P8A1 Combat (oben) und P8A1. Foto: JPW |
HK P30 mit Schalldämpfer und Laser-Licht-Modul (unten) und P30L. Foto: JPW |
Zu den weiteren großen deutschen Traditionsherstellern zählen J.P. Sauer&Sohn/SIG Sauer sowie Carl Walther. Die bereits mehrfach erwähnten SIG-Pistolen gehören zur Ausstattung von Streitkräften weltweit und sind auch noch bei deutschen Polizeibehörden im Einsatz. SIG bietet für den spezialisierten Behördenbereich inzwischen auch seine längere P226 X-Five sowie die P226 mit Stahlgriffstück an.
P226 (oben) und P226 X-Five. Foto: JPW |
Und auf der Enforcetac 2014 stellten die Eckernförder ihre mit Schlagbolzenschloss arbeitende P320-Modellreihe vor.
SIG P320-Modellreihe. Foto: JPW |
Walther P99Q NL. Foto: Carl Walther GmbH |
Weitere Waffen
Zu den Exoten der dienstlich geführten Kurzwaffen gehört sicherlich die STI Tactical 5.0. Diesen M1911-Klon gibt Dänemark an seine Spezialkräfte vom Jaegerkorpset aus. Noch relativ neu am Markt ist die zum Tawazun-Konzern (Vereinigte Arabische Emirate) gehörige Pistolenmanufaktur Caracal, die zum Teil auch im thüringischen Suhl – neben Oberndorf einer weiteren Wiege deutscher Handwaffenherstellung – produzieren lässt.
Caracal F mit modifiziertem Verschluss und "Quick-Sight"-Visierung. Foto: JPW |
Belgien setzt gleich auf ein ganzes Waffensystem. So bestellte das belgische Verteidigungsministerium bei der Fabrique Nationale d‘ Armes de Guerre (FN) über 12.000 für die rasante Flaschenhalspatrone 5,7 x 28 mm ausgelegte Handwaffen. Die Pistole FN Five-seveN ersetzt künftig die FN High Power in 9 x 19 mm, die Bullpup-Maschinenpistole FN P90 tritt an die Stelle der Uzi, ebenfalls in 9 x 19 mm.
Waffensystem FN Five-seveN in 5,7 x 28 mm. Foto: JPW |
Training, Training, Training!
Doch welche Kurzwaffe ist nun die beste? Einfache Antwort: Die, die man zur Verfügung hat, wenn es drauf ankommt – und wenn es eine prunkvolle Radschloss-Reiterpistole wäre. Doch alle Technik nützt nicht davor, sich vor dem Training zu drücken.
Der Ausbilder schießt die Übung mit der Pistole P8 vor. Foto: JPW |
© by Jan-Phillipp Weisswange 2014. Der Artikel basiert auf meinem Beitrag in der Europäischen Sicherheit&Technik 11/2013, S. 69 ff. Im Laufe der nächsten Monate werde ich sowohl in der ES&T als auch hier über ausgewählte Kurzwaffenprojekte und weitere verwandte Themen in einer losen Artikelserie ausführlicher berichten.