Güstrow (ww) Mit neuer Taktik und Technik reagieren die europäischen Polizeibehörden auf die veränderten terroristischen Bedrohungslagen. Die Jubiläumsausgabe des Special Forces Workshops in Güstrow bot wie gewohnt einiges neues zu dieser Thematik.
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Die zehnte Ausgabe des Special Forces Workshops in Güstrow war auch dieses Jahr wieder ein Highlight (Foto: JPW) |
Der vom Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern, vom SEK Mecklenburg-Vorpommern und vom Baltic-Shooters Team um Frank Thiel organisierte Special Forces Workshop kombiniert Fortbildung, Wettkampf und Netzwerken. Und so verzeichnete die hochkarätige Veranstaltung auch im Jubiläumsjahr hohen Andrang - sowohl teilnehmer- als auch industrieseitig. Dieses Jahr reisten wieder über 50 Mannschaften aus dem Bereich polizeilicher Spezialeinheiten (SE) nach Mecklenburg. Dazu kamen noch weitere Teams von Unterstützungskräften und von der Bundeswehr. Zudem nahmen Gäste aus Monaco, Österreich, der Schweiz und Tschechien teil. Ebenfalls schon traditionell ist der Besuch des Schirmherrs der Veranstaltung: Der Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier, machte sich wie üblich selbst ein Bild vor Ort. Das unterstrich einmal mehr die hohe Bedeutung, die der Workshop auch auf höchster Ebene genießt.
Der österreichische Helmhersteller Ulbrichts Protection hatte zwei neue Produkte nach Mecklenburg mitgebracht: den VPAM6-Stirnschutz sowie – ganz neu – ein ballistisches VPAM-6-Visier für den First-Responder-Helm Hoplit F1100 (dieser „Knitterfreie weist selbst die Schutzklasse VPAM 4+ auf). Beide Produkte mussten sich auf Seifenköpfe aufgesetzt einem Beschuss mit der Gefechtspatrone M43 (7,62 x 39mm Vollmantel mit Flussstahlkern, 720 m/s Anfangsgeschwindigkeit) unterziehen.
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Der Hoplit F1100 mit VPAM 6-Stirmschutz (l.) und ballistischem VPAM 6-Visier vor dem Beschuss (Foto: JPW) |
Dabei ließ sich anhand der trotz des heißen Wetters nahezu unveränderten Seifenköpfe feststellen, dass die auf den Kopf auftreffende Energie in beiden Fällen unter fünf Joule blieb – und damit deutlich unter den geforderten 25 Joule.
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...und unmittelbar danach. Die Helme wurden nicht durchschlagen, die Seifenköpfe blieben nahezu unverändert. (Foto: JPW) |
Der Glaspezialist Silatec stellte ebenfalls zwei geschützte Fensterscheiben für Beschusstests zur Verfügung. Sie hielten einer .338 AP mit 250 grs sowie einer .338 Teilmantel mit 225grs stand.
ZST stellte neue Zielscheiben des mobilen Trainingssystems MOTAC für den urbanen Raumkampf vor. Sie bestehen aus einem speziellen Material mit selbstversiegelnden Eigenschaften. Trägt man eine Kreidefarbe auf, lässt sich ein Treffer und dessen Lage sofort erkennen. Ebenso schnell kann man nach einem Durchgang wieder neue Farbe auftragen und das Ziel ist wieder einsatzbereit. Weitere Pluspunkte: Nach jedem Treffer verschließt sich der Schusskanal sofort wieder, so daß sich diese Zielmedien durch gute Multi-Hit-Fähigkeiten auszeichnen. Da es auch keine Rückpraller oder Querschläger gibt, lassen sich die ZST-Zielscheiben beispielsweise gut für das Schießtraining im Nahbereich einsetzen.
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Links die von Albert Arms beschossenen Silatec- Sicherheitsfenster, rechts die mit Kreidefarbe besprühte ZST-Scheibe, auf der sich die Treffer aus der Schmeisser AR-15 mit Falke-Zieloptik sofort erkennen lassen. |
Naturgemäß steht in Güstrow die einsatzorientierte Schießfortbildung im Mittelpunkt. Spezielle Kurzwaffenprogramme boten Jürgen „Brauni“ Braun und Carl Walther, ZService und RUAG, Glock und Tino Schmidt (dieses Jahr in Vertretung für Johann Silbitzer) an.
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Todd Jarrett gibt sein Können weiter (Foto: JPW) |
Aus den USA war zudem der Spitzenschütze Todd Jarret angereist, um mit Unterstützung von Federal Ammunition und Blackhawk sein Wissen über Kurz- und Langwaffenschießen weiterzugeben.
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Craig Palmer mit dem Timer! (Foto: JPW) |
Ebenfalls aus den USA fand der Schießausbilder Craig Palmer seinen Weg zum Workshop. In Kooperation mit SIG Sauer standen unter seiner Leitung ebenfalls Lang- und Kurzwaffendrills auf dem Plan. SIG Sauer hatte zudem den MCX Rattler und die handliche P365 mit nach Mecklenburg gebracht.
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Schießen mitz dem SIG MCX Rattler in .300BLK (Foto: JPW) |
Geschäftsführer Franz von Stauffenberg ließ es sich nicht nehmen, die handliche Pistole dem S&T-Blog selbst vorzuführen.
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SIG Sauer-Geschäftsführer Franz von Stauffenberg mit der P365 (Foto: JPW) |
Heckler & Koch bot einen Mehrdistanzworkshop an, bei dem mit dem HK416A7, der MP7 und der SFP9 gearbeitet wurde.
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Mehrdistanzworkshop bei Heckler&Koch (Foto: JPW) |
Am Rande ergab sich ein erstes „Kennenlernen“ mit der jüngsten Ausführung des HK416, welches derzeit die Einsatzprüfung als „Sturmgewehr Spezialkräfte, leicht“ durchläuft und dann möglicherweise durch die Bundeswehr als G95 katalogisiert werden wird.
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HK416A7 mit Schmidt&Bender 1-8x24 PM II Dual CC Short Dot (Foto: JPW) |
In bewährter Qualität führten MEN DefenceTec, C. G. Haenel und 5.11 einen von Hermann Rosenberg und Thorben Schmidt (DBHR) durchgeführten Workshop durch, bei dem der Feuerkampf mit dem Sturmgewehr sowie Zusammenwirken von Zugriffstrupp und Präzisionsschützen im Vordergrund standen. Der ZF-Hersteller Schmidt&Bender bot zudem umfangreiche Einblicke in das Arbeiten mit dem Zielfernrohr.
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Kurz vor dem Eindringen wirft der Trupp eine Flashbang-Granate (Foto: JPW) |
Auch Tikka und Steiner Optics stellten das Schießen auf längere Distanzen in den Mittelpunkt. Hier wies Mike Navab die Teilnehmer umfangreich in die Thematik ein.
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Stehend aufgelegt beim Tikka/Steiner-Workshop (Foto: JPW) |
Die Nachtsichtfirma Optix, Rheinmetall und der britische Ausbildungsmunitionshersteller Ultimate Training Munition (UTM) boten gemeinsam einen praxisorientierten Low-Light-Workshop an. Dabei erhielten die Teilnehmer im Rahmen diverser Szenarien Einblicke in die Welt des taktischen Einsatzes von Nachtsichtbrille (diverse Modelle von Optix) in Verbindung mit Laser-Licht-Modulen aus dem Hause Rheinmetall Soldier Electronics – erstmals mit am Start war das neue Laser-Licht-Paket der Bundeswehr für das Sturmgewehr Spezialkräfte, leicht.
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Beim Optix/Rheinmetall/UTM-Workshop (Foto: JPW) |
Dabei stellten sich – gerade für „Neulinge“ – einige „Aha-Elebnisse“ ein: So gilt es, mit verschiedenen Herausforderungen wie dem eingeschränkten Sichtfeld, dem fehlenden räumlichen Sehen und dem manuellen Fokussieren auf verschiedene Entfernungen klarzukommen. Auch sollte man das mit dem bloßen Auge unsichtbare IR-Licht der Laser-Licht-Module sparsam einsetzen, denn ein mit Nachtsichtgeräten ausgestattetes Gegenüber erkennt diese Abstrahlungen ebenso. Dennoch trägt die Fähigkeit, bei Nacht schnell erkennen, identifizieren und wirken zu können, erheblich zur Überlegenheit im Einsatz bei.
Weitere Stationen bildeten einmal mehr die praktische und taktische Notfallmedizin unter Uli-Rüdiger Jahn und Andreas Horst sowie – unterstützt von Petzl - Abseiltechniken mit Schusswaffen. Tino S. und Oliver B. von der Interventionseinheit Skorpion (Zürich) vermittelten zudem Methodik, Didaktik und Techniken für den Raumkampf. Dabei kam ein flexibles Trainingshaus der Firma Seqprotect zum Einsatz.
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Unmittelbar nach der Annäherung per Motorrad nimmt der Trupp den Feuerkampf auf (Foto: JPW) |
Das Thema schnelle Intervention bei komplexen lebensbedrohlichen Einsatzlagen ist schon länger in aller Munde. Um Einsatzkräfte im Großstadtdschungel schnell zum Geschehen transportieren zu können, bieten sich Zweiräder an. Denn man muss davon ausgehen, dass die Straßen im Fall der Fälle verstopft sind – was in vielen Großstädten selbst ohne Auswirkungen eines terroristischen Anschlags tagtäglich der Fall ist. Enzo Battaglieri von Universal Shield und BSST führten einen gemeinsamen Workshop durch, in dessen Rahmen Einsatz- und Schießtechniken mit diversen ballistischen Schutzschilden auf dem Programm standen. Den krönenden Abschluss bildeten dabei Annäherung mit und Einsatz von einer Enduro-Maschine aus, welche mit einer Halterung für einen solchen Schild ausgestattet war.
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Feuer und Bewegung bei den Fahrzeuglagen (Foto: JPW) |
Und natürlich – was wäre Güstrow ohne das taktische Schießen in und um Automobile herum? Auch dieses Jahr bildeten mobile taktische Lagen und Carshooting – unterstützt von der Firma Schmeisser – erneut eines der Highlights. Natürlich stand Frank Thiel dabei wieder selber „in der Bütt“ – genau so wie zwei Kollegen des SEK Brandenburg.
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Frank Thiel erläutert Schießtechniken in, am und um das Fahrzeug herum...(Foto: JPW) |
Ein fordernder Wettkampftag mit phantasievoll gestalteten Stages bildete dann den Abschluss des Workshops. Nachdem dieses Mal der Rekordsieger, die österreichische „Cobra“, nicht vor Ort war, wurde der Sieger mit Spannung erwartet. Der Pokal blieb in der Heimat – das Team II des SEK Mecklenburg-Vorpommern siegte. Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle!
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Kraft, Kondition und Köpfchen waren wieder mal am Wettkampftag gefordert (Foto: JPW) |
Eine weitere Stärke des Special Forces Workshops besteht natürlich im Austausch mit den Kollegen aus der Industrie und vor allem mit der Anwenderseite. Ehrliches und bisweilen schonungsloses Feedback sowie Anregungen der Praktiker geben Impulse für Neu- und Weiterentwicklungen. Und so stehen für den 11. Special Forces Workshop 2019 sicherlich schon wieder einige Neuerungen in Aussicht.
Mehr zu einzelnen Produkten und Projekten demnächst in den einschlägigen Publikationen und natürlich hier.