Sinn und Zweck von Tarnmustern
Ganz grundsätzlich sollen moderne Tarnmuster folgende Eigenschaften erfüllen: Sie sollen die Konturen des menschlichen Körpers verwischen, sie sollen sich in die Umgebung einfügen und sie sollen Schutz vor Aufklärung gegen eingesetzte Sensortechniken in allen relevanten Spektralbereichen bieten.
Tarnmuster – hier PenCott GreenZone - verwischen die menschlichen Konturen und fügen sich in die Umgebung ein. Vollen Tarnschutz bedeutet das aber noch lange nicht. (Foto: Jan-P. Weisswange) |
Herkömmlicher und optimierter 5-Farben-Tarndruck der Bundeswehr im Vergleich durch Nachtsichttechnik (Foto: Bundeswehr/WIWeB) |
Neben dem Ansatz, das Muster möglichst gut an das Einsatzgebiet anzupassen, gibt es noch eine weitere Methode bei der Entwicklung der Tarnung. So sollen die Schemen und Schattierungen vornehmlich die optisch-psychologische Wahrnehmung des Beobachters täuschen. Guy Cramer von Hyperstealth hat das beispielsweise mit dem im jagdlichen Bereich verbreiteten, durch W. L. Gore vertriebenen „OptiFade“ umgesetzt.
Phantomleaf-Tarnanzüge für urbanes Gelände, winterliche Umgebung (mit
Carinthia) sowie für bewaldetes Gebiet. (Foto: Jan-P. Weisswange) |
Eines für alle?
Spätestens Mitte der 2000er Jahre folgten einige Streitkräfte dem Ansatz, möglichst universelle Tarnschemen einzuführen – vornehmlich aus logistischen Gründen. In den USA endete seinerzeit die Ära der streitkräftegemeinsamen „Battle Dress Uniform (BDU)“ der 1980er und 1990er Jahre. Die gab es in den Mustern Woodland für bewaldete sowie Six-Colour- und später Three-Colour-Desert für heisstrockene Gebiete. Die U.S. Army führte ab 2004 ihre „Army Combat Uniform (ACU)“ ein. Ihr funktioneller Schnitt stand im krassen Gegensatz zum graugrün-digitalen „Universal Camouflage Pattern“ (UCP).
G.I.'s mit der ACU im UCP-Muster. Foto: U.S.Army/PEO |
Das OCP. Foto: U.S. Army/PEO |
US-Soldaten mit ACU im OEF-Pattern alias Multicam. Foto: U.S.Army/PEO |
MultiCam kam kurioserweise als Übergangslösung in die US-Streitkräfte – und zwar für die Afghanistan-Kontingente. Offiziell trägt es die Bezeichnung OEF-Pattern(OEF = Operation Enduring Freedom). In einer Übergangsphase sollen OEF-Pattern und UCP noch weiter getragen werden dürfen. Allerdings verbietet die entsprechende Bekleidungsvorschrift den Mix zwischen den drei Tarnschemen. Noch vorhandene Bestände an flammhemmender OEF-Bekleidung werden weiter ausgegeben. Die UCP-Uniform darf bis zum 30. September 2019 aufgetragen werden. Ab dem 1. Oktober 2019 müssen dann alle Soldaten der U.S. Army einheitlich mit der neuen OCP-Kampfbekleidung ausgestattet sein.
Die britischen Streitkräfte geben seit 2009 ihr Personal Clothing System (PCS) aus. Die Kampfbekleidung lässt sich äußerlich am Multi Terrain Pattern (MTP) erkennen.
Britischer Soldat mit PCS in Multi Terrain Pattern. Foto: MoD UK |
Hier wirkte ebenfalls Crye Precision am Design mit. Es weist die bei MultiCam üblichen Farbtöne aber Elemente des klassischen Disruptive Pattern Material (DPM) auf. Dieses gab es zuvor ebenfalls in Waldtarn- und Wüstentarnausführung.
Dänisches Fireteam mit M/11-Uniform im Multi Terræn Sløring (MTS). Foto: NATO |
Die lettischen Streitkräfte setzen auf ein grobpixeliges helles Universaltarnschema. Foto: NATO |
Vielfalt statt Einfalt
Neben dem Universaltarnschema-Ansatz gibt es auch den Trend in die andere Richtung. So ersetzten die übrigen US-Teilstreitkräfte ebenfalls ab Mitte der 2000er die BDU durch neue Bekleidungssysteme: die US Air Force gibt derzeit die „Airman Battle Uniform (ABU) aus, die vom Schnitt her noch der BDU gleicht.
US Air Force Soldaten in der ABU. Foto: USAF |
MARPAT woodland. Foto: DVIDS |
NWU Type III (l.) und NWU type I (r.) Foto: US Navy |
Die Ausführung im bräunlicheren Wüstentarnmuster nennt sich NWU Type II (früher AOR1). Die grünlichere Waldtarn-Variante läuft unter der Bezeichnung NWU Type III (früher auch AOR2 genannt).
Die russischen Streitkräfte setzen bei ihren "Ratnik"-System unter anderem auf ein fein gepunktetes Tarnschema. Foto: JPW |
Die neue niederländische Fightex-Uniform von Fibrotex. Foto: JPW |
Der Bundeswehr-Ansatz
Seit Ender der 1980er Jahre haben sich in den deutschen Streitkräften zunächst folgende Tarnmuster durchgesetzt: Fünf-Farben Tarndruck für bewaldetes Gelände, Drei-Farben-Tarndruck für arides Einsatzumfeld, Wüstentarndruck für trockenheiße Gebiete und weiß bzw. weiß mit dunkelgrünen Flecken als Wintertarn.
In enger Zusammenarbeit mit der Truppe entwickelte das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe der Bundeswehr (WIWeB) in den letzten Jahren nicht nur die bisher genutzten Tarnmuster weiter, sondern auch zwei völlig neue zwei neue Spielarten: Den Multitarndruck und den Schneetarndruck.
Mustervergleich in Afghanistan, v.l.n.r.: deutscher 3-Farben-Tarndruck, Multicam, vier Varianten Bundeswehr-Multitarndruck, ganz rechts das letztendlich ausgewählte Muster (Foto: Bundeswehr/WIWeB) |
Gleiches gilt für den neuen Schneetarndruck. Idee des Gefechtes war es, den alten Baumwoll-Schneetarnüberanzug durch eine moderne und leistungsfähige Zusatzausstattung für den Winterkampf zu ersetzen. Dieser neue „Schneetarnanzug, beweglicher Einsatz“ sollte sich dabei durch ein neues Tarnmuster auszeichnen.
Der neue Bundeswehr-Schneetarndruck im Vergleich zum weißen Tarnset, persönlich leicht. (Foto: Bundeswehr/WIWeB) |
Auch hier führten Erprobungen verschiedener Muster zum Erfolg. Das neue Wintertarnschema leitet sich vom Drei-Farb-Tarndruck ab und enthält neben Weiß als dominierender Farbe noch Dunkelgrün und Grau.
Unifarbene Uniform
Israel und Österreich sind Beispiele für die wenigen westlichen Länder, die querschnittlich an einfarbigen Kampfuniformen festhalten. Die Alpenrepublik führte zwar zu Beginn des neuen Jahrtausends das neue Kampfanzugsystem „KAZ03“ ein, hielt aber an dem graubraunen Farbton RAL7013 fest.
Kampfanzug 03 und komplette Mannausstattung des österreichischen Bundesheeres. Foto: Bundesheer |
Wendbare Tarnuniform von Fibrotex (Foto: JPW) |
Exkurs: Internationale Tarnmusterentwickler
Unabhängig von eingeführten Tarnmustern bereichern zahlreiche Entwickler das Angebot. Einige seien an dieser Stelle genannt:
A-TACS: Das mit verschwommenen verschiedenfarbigen Flächen aufwartende A-TACS gab es zunächst für arides Gelände. Es folgten dann das grünlichere ATACS-FG (Foliage Green)und das blau-schwarze LE (Law Enforcement) für den Behördenbereich. Das neueste Muster heißt ATACS-iX (intermediate Extreme)und erinnert etwas an das getigerte Tiger Stripe. ATACS will die übrigen Muster auf das neue abstimmen.
Crye Precision: Die New Yorker Designer um Caleb Crye sind mit dem Universaltarnschema MultiCam weltweit vertreten. Inzwischen haben auch sie ihre Palette um die Tarnmuster „Tropic“, „Arid“, „Alpine“ und „Black“ erweitert und bieten Alternativen für den „Eines für das Meiste“-Ansatz.
Hyde Definition/PenCott: Dom Hyde und Lawrence Holsworth sind die beiden führenden Köpfe von Hyde Definition mit der PenCott-Tarnmusterfamilie. Als deren Namensgeber standen zwei britische Tarntechnik-Experten des Zweiten Weltkriegs Pate: der Surrealist Sir Roland Penrose und der Zoologe Dr. Hugh B. Cott. PenCott kombiniert als hybrides Muster kleine, mittelgroße und große Musterelemente und fügt sie zu einem komplexen Mustergeflecht zusammen. Derzeit gibt es GreenZone für bewaldete Gebiete, BadLands für arides Umfeld, SandStorm für trocken-heiße Umgebungen, SnowDrift als Wintertarnung und Metropolis für das urbane Umfeld.
Hyperstealth: Der Kanadier Guy Cramer hat bereits hunderte Tarnschemen entwickelt. Unter anderem sind seine oft digitalen Entwürfe in Afghanistan, Jordanien, Kanada, den Philippinen in der Slowakei oder den VAE in Nutzung. Gemeinsam mit der Firma ADS befand er sich mit „US 4CES“, einer Familie vier digitaler Tarnmuster, auch im Rennen um das neue Tarnmuster der U.S. Army. Eine Variante davon nutzt jetzt die Marine Mexikos. Cramer arbeitet derzeit auch mit Quantum Stealth an einer neuen Universaltarntechnologie.
Kryptek: Die futuristisch anmutenden, schlangenhautartig gemusterten Kryptek-Muster fassen inzwischen auch auf dem europäischen Markt Fuß, wenn auch eher im kommerziellen und weniger im Behördenbereich. Es gibt „Mandrake“ für bewaldetes Gebiet, „Highlander“ für arides Gelände, „Nomad“ für Wüsten oder „Yeti“ als Wintertarn.
Orion Design Group: Die US-Tüftler Brian Bishop und Kelsey Gonzales setzen bei ihrer Musterpalette auf kleingefleckte hybride Schemen. Die ODG hat derzeit Ursus (Waldtarn), Lupus (Übergang) und Vipera (Arid) im Angebot.
Phantomleaf Camouflage: Die Dresdener Firma von Dr. Florian Lenz hat sich auf autoadaptive Tarnmuster spezialisiert, die sich mittels eines Algorithmus in wechselnde Umgebungen einpassen und so den Tarnschutz bei Bewegungen besser erhalten. Den Vertrieb der durchdachten Ausrüstung übernimmt die Spezialfirma SCE-Equipment.
Weitere Aspekte
Die zunehmende Verbreitung von Nachtsichttechnologie macht es erforderlich, eigene Kräfte vor entsprechender Aufklärung zu schützen. Bluecher, Hexonia, Fibrotex, W.L. Gore oder SSZ haben hier bereits Konzepte entwickelt. SSZ bietet beispielsweise speziell beschichtete Bekleidung im Schnitt der normalerweise getragenen Kampfuniformen an. Fibrotex hat kürzlich den Überanzug „Nightwalker“ vorgestellt, der seinen Träger dank Reflektionstechnologie für Nachtsichtgeräte schwer erkennbar macht.
Schon seit einigen Jahren gibt es die Idee, ein weiteres vorbildliches natürliches Tarnkonzept umzusetzen – nämlich das des Chamäleons, das sich schnell wechselnden Umgebungen anpassen kann. Guy Cramer stellte zudem seine „Quantum Stealth“-Technologie vor. Sie soll durch die Krümmung von Lichtwellen um das Ziel herum dieses vor visueller, Infrarot- und thermischer Aufklärung schützen.
Tarnmuster machen nicht unsichtbar!
Selbst die modernste Tarntechnologie und das wirksamste Tarnmuster können keinen hundertprozentigen Schutz vor feindlicher Aufklärung bieten, wenn ihr Träger andere Aspekte der Tarnung nicht berücksichtigt.
Der Tarndruck der Uniform bietet einen Basisschutz, der sich durch weitere künstliche und natürliche Tarnmittel ergänzen lässt (Foto:U.S. Army/PEO ) |
Redaktionelle Anmerkung:
Dieser Artikel basiert in weiten Teilen auf meinem Beitrag "Im bunten Rock", erschienen in der "Europäischen Sicherheit&Technik" 5/2016, S. 48 - 51. Dieser Artikel gibt meine persönliche Meinung wieder.