Berlin (ww) Am 30. Juni 2011 verließen vorerst letztmalig
Grundwehrdienstleistende die Kasernen der Bundeswehr. Hält mit
dem Auszug der Wehrpflichtigen demnächst Professionalität in den
deutschen Streitkräften Einzug? Sicher erscheint zunächst eines: Das oft
gehörte Argument, wonach die Einsatzarmee durch Ausbildung und
Ausrüstung von militärisch nicht sinnvoll einzusetzenden
Grundwehrdienstleistenden personell, strukturell und finanziell
belastet“ sei, entfällt als Ausrede für ihre vermeintlich mangelnde
Professionalität.
Fallschirmjäger des Fallschirmjägerregiments 31 bei einer Evakuierungsübung. Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt |
Professionalität ist vor allem Kopfsache. Da die Bundeswehr von
heute nicht mehr bloß im Einsatz, sondern im Gefecht steht, definiert
sich soldatische Professionalität vor allem durch die Fähigkeit zu
kämpfen. Im Gefecht besteht nur, wer über Einsatz- bzw.
Kampfbereitschaft verfügt („Combat Mindset“). Dies erfordert zweifellos
auch bei manchem Zeit- und Berufssoldaten eine Rückbesinnung respektive
eine Neuorientierung.
Professionelle Streitkräfte benötigen kluge Köpfe. Der „Kampf um
die besten Köpfe“ hat bereits begonnen. Ob die Bundeswehr für diesen
nach Verzicht auf die „Schaufensterfunktion“ der Wehrpflicht gut
gerüstet ist, wird sich angesichts ihres Spagates zwischen fordernden
und gefahrvollen Einsätzen auf der einen und Reduzierungen,
Umstrukturierungen und Einsparungen auf der anderen Seite erst noch
zeigen müssen.
Die Begabung, Menschen zu führen, auszubilden und zu erziehen ist ein Kampfkraft- und damit Professionalitätsmultiplikator. Ob eine an Kadettencorps ausgerichtete Offizier- und Feldwebelausbildung hierfür förderlich ist oder ob die erste Prägung und Erziehung der angehenden Führer und Unterführer nicht besser in der Einheit und im Verband erfolgen sollte, bleibt abzuwägen. Definitiv abträglich für Führung, Ausbildung und Erziehung sind ein hohes Maß an Bürokratisierung, Absicherungsdenken und Verwaltungsaufwand, was unterdessen selbst die Soldaten in den Einsätzen beklagen.
Die Begabung, Menschen zu führen, auszubilden und zu erziehen ist ein Kampfkraft- und damit Professionalitätsmultiplikator. Ob eine an Kadettencorps ausgerichtete Offizier- und Feldwebelausbildung hierfür förderlich ist oder ob die erste Prägung und Erziehung der angehenden Führer und Unterführer nicht besser in der Einheit und im Verband erfolgen sollte, bleibt abzuwägen. Definitiv abträglich für Führung, Ausbildung und Erziehung sind ein hohes Maß an Bürokratisierung, Absicherungsdenken und Verwaltungsaufwand, was unterdessen selbst die Soldaten in den Einsätzen beklagen.
Die derzeit heranwachsende kampferfahrene Offizier- und
Unteroffiziergeneration wird die künftige Gestalt der Bundeswehr
verändern. Geboten scheint dabei eine Rückbesinnung auf die Innere
Führung: „Die Innere Führung ist die Aufgabe aller militärischen
Vorgesetzten, Staatsbürger zu Soldaten zu erziehen, die bereit und
willens sind, Freiheit und Recht des deutschen Volkes und seiner
Verbündeten im Kampf mit der Waffe oder in der geistigen
Auseinandersetzung zu verteidigen.“ (Ulrich de Maizière). Die heutigen
Protagonisten der Inneren Führung auf militärischer und politischer Seite verstehen sie in erster Linie als
Schutzinstanz gegen Schikane. Ihre Gegner – zumeist solche, die gerne
kernige Troupiers wären, – verspotten sie als „Menschenführung 2000“ und
sehen in ihr die Hauptursache für Verweichlichung und mangelnde
militärische Professionalität. Es bleibt zu hoffen, dass die wertvolle
Philosophie, den mündigen Staatsbürger zur militärischen und
intellektuellen Verteidigung unserer Werte zu erziehen, wieder vom Kopf
auf die Füße gestellt wird.
Der Kampf um die Köpfe, erst recht aber der Kampf in den Köpfen
lässt sich nur gewinnen, wenn der Fisch nicht bereits vom Kopf her
stinkt. Dass sich die neue Generation von Staatsbürgern in Uniform, die
bereits kampferfahrene „Generation Einsatz“, von militärischer sowie
politischer Führung und Parlament teilweise nicht vertreten, vielleicht nicht einmal verstanden fühlt, gibt Anlass
zur Sorge um den Zustand der „Parlamentsarmee“. Zwar stellt sich die derzeit populärste Politikerin als Inhaber
der Befehls- und Kommandogewalt im Frieden vor ihre Truppe, aber
zugleich sind die deutschen Streitkräfte gezwungen, ihre Kopfstärke zu
reduzieren und voraussichtlich auch einige ihrer Fähigkeiten aufzugeben.
Um den Kopf aus dieser Schlinge ziehen zu können, sind vor allem
Regierung und Parlament gefordert, Führungsverantwortung zu zeigen –
beispielsweise durch eine breite gesellschaftliche und jenseits des
Afghanistan-Einsatzes geführte sicherheitspolitische Debatte, durch eine
aufgabengerechte Ausstattung der Bundeswehr mit Finanzmitteln oder eine
nachhaltige Sicherheitsvorsorge auf der Grundlage einer starken aufwuchsfähigen Reserve. Unprofessionelle sicherheitspolitische
Kurzsichtigkeit birgt jedenfalls die Gefahr, dass plötzliche
Unwägbarkeiten uns eines Tages Kopfschmerzen bereiten.
*****
Dieser Kommentar erschien im Februar 2011 in der „Strategie&Technik“ – lediglich der erste Satz wurde verändert und das Geschlecht des IBuK angepasst. Aus meiner Sicht hat der fünf Jahre alte Zwischenruf kaum an Aktualität eingebüßt.
Ich komme in meiner Analyse deutscher Sicherheitspolitik, die ich ab
übermorgen (1. Juli) seit 25 Jahren als Soldat, Sicherheitspolitiker und
Schreiberling miterlebe, zu einem ernüchternden Ergebnis:
Jahrzehntelange Vernachlässigung hat dieses wichtige Betätigungsfeld zu
einer Alimentierungsveranstaltung für eine kleine Clique von
Worthülsenschiebern und deutlich besser honorierten Beratungsprofiteuren
gemacht, an deren Rande sich ab und zu noch einige wenige Idealisten
als Stichwortgeber oder Pausenclowns tummeln dürfen.
Jan-Phillipp Weisswange