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Montag, 2. Juli 2018

MGCS Hurra! Das Projekt Kampfpanzer der Zukunft rollt an

Paris, Berlin (ww) Das Projekt Kampfpanzer der Zukunft nimmt Fahrt auf. Am 19. Juni 2018 - kurz nach der Eurosatory – unterzeichneten die französische Streitkräfte- und die deutsche Verteidigungsministerin die Absichtserklärungen zur Rüstungskooperationen beim Future Air Combat System (FACS; Führungsrolle Frankreich) und beim Main Ground Combat System (MGCS, Führungsrolle Deutschland). Darüber hinaus sollen gemeinsame Studien für das Artilleriesystem der Zukunft (Common Indirect Fire System, CIFS) auf den Weg gebracht werden.
Science-Ficition-Künstler wie hier Dan Baker liefern schon lange Illustrationen künftiger Kampfpanzer
(Bild: Dan Baker via www.concepttanks.blogspot.com)
Zum MGCS führt das BMVg auf seiner Homepage folgendes aus:
„Das Main Ground Combat System (MGCS) wird den Kampfpanzer Leopard 2 ablösen und dessen Fähigkeiten erhalten. Es geht mit seinem innovativen Ansatz und modernen Technologien jedoch deutlich über eine rein lineare Fortschreibung der bisherigen Fähigkeiten des Leopard 2 hinaus.
MGCS wird ein durchsetzungsfähiges, überlegenes und zukunftsfähiges System zur direkten Wirkung am Boden gegen einen gleichwertigen Gegner. Es verfolgt einen Systemansatz, in dem auch unbemannte mit bemannten Systemen zusammenwirken sollen. Die Einführung ist für Mitte der 2030er Jahre vorgesehen. Deutschland wird in diesem Projekt die Führungsrolle, auch industrieseitig, übernehmen. Bei MGCS handelt es sich um das bedeutendste zukünftige Rüstungsprojekt der Landsystemindustrie. Es sendet ein starkes Signal mit Blick auf die Refokussierung in Landes- und Bündnisverteidigung. Mittel- und langfristig ist auch hier, basierend auf einem starken deutsch-französischen Fundament, die Öffnung für weitere Partner beabsichtigt.“


Industriepolitische Signale
Schon einen Tag nach der Unterzeichnung begrüßte das deutsch-französische Joint Venture Krauss-Maffei Wegmann Nexter Defence Systems (KNDS) in einer Pressemitteilung den Schritt zur Führungsrolle Deutschlands im MGCS-Vorhaben und äußerte seine Bereitschaft, gemeinsam mit anderen Partnern zum Erfolg des Projektes beizutragen:
“The skills and background of KMW and Nexter qualify both companies as suitable and particularly powerful and pivotal industrial partners for the Franco-German land-system-program MGCS. Thus, in close cooperation with leading technology companies, KMW and Nexter will substantially contribute to a strengthened European defense capability.“
Abzuwarten bleibt, ob und wie sich andere deutsche Landsystemhäuser für „das bedeutendste zukünftige Rüstungsprojekt der Landsystemindustrie“ (so das BMVg) positionieren werden und welche weiteren Konzepte und Kooperationsformen das prestigeträchtige Projekt noch zeitigen wird.


MGCS – Ideen der „Think-Tanks“
Am MGCS selbst wird freilich schon länger konzipiert. Spätestens seit 2012 gibt es hierzu entsprechende Arbeitsgruppen. Die russische Neuentwicklung T-14 Armata wirkt dabei als regelrechter Katalysator. Panzerexperten sehen das neue Kreml-Kampfgefährt als einen Paradigmenwechsel in der russischen Panzerphilosophie – insbesondere was die Aspekte technische Ausgereiftheit, Man-Machine-Interface und Schutz der Besatzung anbetrifft – aber auch hinsichtlich der Beschaffungskosten.
Beim MGCS stellen die „Think Tanks“ aus Industrie, Forschung und Streitkräften alles auf dem Prüfstand, was einen Kampfpanzer der Zukunft auszeichnen könnte: Antrieb, Laufwerk, passive und aktive Schutzsysteme, Führung und Vernetzung, Bewaffnung und ob es sich überhaupt um ein bemanntes oder unbemanntes System handeln soll. Einige Beispiele für derzeit diskutierte Ansätze: Kettenfahrzeug mit Hybrid-Antrieb und verbesserter Kanone womöglich in unbemanntem Turm oder in Scheitellafette, Kettenfahrzeug mit alternativen Effektoren wie Hochenergielaser oder Lenkflugkörper, Radfahrzeug mit verbesserter Kanone oder Radfahrzeug mit alternativen, womöglich fernbedienbaren Effektoren – darunter die Fähigkeit zu Schwarm-Angriffen mit Mini-UAV.
Eine Konzeptstudie des MGCS von Nexter, veröffentlicht beim deutsch-französischen Forschungsinstitut Saint-Louis http://www.isl.eu


Künftige Kampfpanzerhauptbewaffnung
Auf der Eurosatory 2018 war jedoch zum MGCS bemerkenswerterweise wenig zu sehen. Der von KNDS auf der Messe gezeigte Euro Main Battle Tank (EMBT) fällt mit einem Leopard 2A7-Fahrgestell und einem Leclerc-Turm relativ konventionell aus. Er trug zudem die 120mm-Nexter-Kanone und nicht etwa die im Mai 2017 geleakte französische 140mm-Waffenanlage „Terminateur“.
Leclerc mit 140mm-Waffenanlage Terminateur. Zum Zeitpunkt des Leakens war das Bild schon rund ein halbes Jahr alt. (Quelle: http://ftr.wot-news.com/2017/05/07/140mm-leclerc/)
Im Gegensatz zu 2016 zeigte Rheinmetall bei der diesjährigen Eurosatory seinen Demonstrator einer 130mm-Glattrohrkanone nicht.
Die Rheinmetall 130mm-Waffenanlage auf der Eurosatory 2016 (Foto: JPW)
Auf Nachfrage teilte das Unternehmen mit, daß dieser „Verschußdemonstrator 130mm“ planmäßig in der Entwicklung genutzt worden sei, um den errechneten Energie- und Leistungszuwachs gegenüber der Serienwaffenanlage 120mm L55/L55A1 im direkten Vergleich auch gegen moderne Ziele im scharfen Schuß zu bestätigen. Derzeit arbeite man an 130mm-Turmkonzepten mit Ladeautomatik, die sowohl für das MGCS als auch für Kampfwertsteigerungen des Leopard 2 nutzbar sein sollen.


Zwischenschritt oder Alternative? Verbesserte 120mm-Glattrohrtechnologie
Damit ist ein weiterer Aspekt der derzeitigen Kampfpanzer-Entwicklung angesprochen. Denn das MGCS ist bei weitem nicht das einzige Projekt dieser Art. Neben weiteren Kampfpanzer-Neuentwicklungen gibt es zahlreiche Kampfwertsteigerungsprogramme. So will Rheinmetall parallel zu den Arbeiten an der 130mm-Waffenanlage kurzfristig die als zweistufiges Konzept geplanten Kampfwertsteigerungen der Wuchtmunition im Kaliber 120mm zum Abschluß bringen und qualifizieren (erste Stufe „DM63Plus“, zweite Stufe „KE 2020“). Die dafür erforderliche druckhöhere 120mm-Waffenanlage L55A1 ist Ende 2017 erfolgreich qualifiziert worden und wird ab Mitte 2018 beginnend bereits für zwei Leopard 2-Nutzerstaaten geliefert und eingerüstet. Auch die neueste Version A7V des Bundeswehr-Kampfpanzers Leopard 2 verfügt über die neue Waffenanlage L55A1. Mit ihr ist der Leopard 2 A7V überdies in der Lage, die neue programmierbare Mehrzweckmunition DM11 zu verschießen.
Wirkung der DM11in verschiedenen Zündermodi auf verschiedene Ziele. Vorne Aufschlagzündung mit Verzögerung auf Seecontainer, hinten Aufschlagzündung auf Betonwand. (Foto: JPW)
Auf der Eurosatory zeigte auch der Turmspezialist Cockerill eine auf eine RUAG-Entwicklung zurückgehende 120mm-Glattrohrkanone für höhere Drücke.
Cockerill 120 HP Gun (Foto: JPW)
Die Cockerill 120HP Gun kommt auf 50 Kaliberlängen und kann mit einer großen Munitionsbandbreite genutzt werden. Auffällig erscheint die Mündungsbremse. Nexter präsentierte auf der Eurosatory ebenso umfangreiche Kampfpanzermunition, darunter die 120mm SHARD (Wuchtgeschoss) oder 120 mm HE IM3M (Mehrzweckgeschoss).
120mm und 105mm-Panzermunition von Nexter (Foto: JPW)
Diese sind nicht nur mit der 120mm-Nexter-Waffenanlage des Leclerc, sondern auch mit der im Leopard 2- und M1A1 Abrams verbauten 120mm-Glattrohrtechnologie von Rheinmetall kompatibel.


Bewegung in der Branche
Beim MGCS wird sich hinsichtlich Konzeptionen und Kooperationen noch einiges rütteln und schütteln. Dessen ungeachtet erfolgen mindestens als Überbrückungs-, wenn nicht sogar als Alternativlösung zum MGCS Kampfwertsteigerungen bestehender Kampfpanzerflotten mit der 120mm-Glattrohrtechnologie. Das jetzt Fahrt aufnehmende MGCS-Vorhaben bringt auf jeden Fall Bewegung in die Branche.