Der vom
Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern in
Zusammenarbeit mit „Baltic Shooters“ durchgeführte „Special Forces Workshop
(SFW)“ zählt mittlerweile zu den festen Größen der „Tactical Community“.
Foto: JPW |
Interessierte Spezialeinheiten aus dem In- und Ausland reisen dazu nach Güstrow
(M-V) an – auch diesen Sommer wieder.
2008 war
während einer Fortbildung des SEK M-V im Zusammenwirken mit der Schießausbildungsfirma
„Baltic Shooters“ die Idee herangewachsen, Ausbilder polizeilicher
Spezialeinheiten zu einem praktischen Erfahrungs- und Gedankenaustausch zu
versammeln. Als idealer Ort bot sich der nur 50 Kilometer von der
Landeshauptstadt Schwerin gelegene ehemalige kaiserliche Schießplatz in Güstrow
an — heute Heimat der dortigen „Privilegierten Schützengesellschaft“. Und so
fackelte man nicht lange: Gemeinsam stellten das SEK M-V und Frank Thiel von
„Baltic Shooters“ den „Special Forces Workshop“ auf die Beine. 2009 fand die
erste Ausgabe statt. Zum diesjährigen mittlerweile 4. SFW waren 41
Zwei-Mann-Teams Ende Juli in die Barlachstadt gekommen, darunter Italiener,
Luxemburger, Österreicher und Polen. Deutscherseits war der Nordverbund – alle
Bundesländer oberhalb der Mainlinie – stark vertreten. Dazu kam ein Team des
Zollkriminalamtes sowie Teams aus des dem süddeutschen Raum.
In bewährter
Art und Weise war auch der 4. SFW zweigeteilt, indem er Fortbildungsmaßnahmen
und Wettkampf miteinander kombinierte. Den Fortbildungsteil der Veranstaltung
organisierte und koordinierte Frank Thiel von „Baltic Shooters“ unter
fachlicher Aufsicht des SEK Mecklenburg-Vorpommern, während das SEK M-V die
Federführung beim Vergleichswettkampf übernahm.
Benelli-Workshop für taktische Flinte. Foto: JPW |
Fortbildung
Naturgemäß steht
bei der Veranstaltung die taktische Schießfortbildung in Form von Workshops im
Vordergrund. Nicht, weil das die Spezialbeamten nicht könnten, sondern
vornehmlich, um durch „Blicke über den Tellerrand“ Impulse für die eigene Aus-
und Fortbildung und deren Methodik zu erhalten.
Dazu kommt der
Umgang mit nicht alltäglichen Waffen sowie Führungs- und Einsatzmitteln, die im
Fall der Fälle aber beherrscht werden müssen. Die Waffenhersteller Benelli, Schmeisser
(dieses Jahr unterstützt von Viking Tactics Deutschland) und SIG Sauer hatten
erfahrene Ausbilder auf den Schießplatz entsandt, die den Teilnehmern Schieß-
und Handhabungstechniken mit den im allgemeinen Polizeialltag noch nicht
üblichen Selbstladegewehren (zumeist AR-15-Derivate) sowie Repetier- und
Selbstladeflinten vermittelten.
Schmeisser/Viking Tactics Deutschland-Workshop: Wechsel von Rechts- auf Linksanschlag. Foto. JPW |
SIG Sauer Workshop: "Rosi" vermittelt Anschlagarten mit SIG 516. Foto: JPW |
Glock führte einen auf die Schießtechnik mit
ihren Pistolen – bei Spezialeinheiten des Nordverbundes und des Bundes
Standardwaffen – optimierten Workshop durch. Dazu kamen seitens der
Baltic-Shooters noch Kurse für Schießen bei Dunkelheit, Feuerkampf in und aus
Fahrzeugen („Car-Shooting“) sowie Schießen aus der Bewegung.
Impressionen vom "Car Shooting"-Kurs. Auf großes Interesse stieß das Schießen durch die Windschutzscheibe, da hier Ziel- und Treffpunkt deutlich voneinander abweichen können. Fotos: JPW |
Erstmals
behandelte der SFW auch das Thema „Taktische Verwundetenversorgung“ – also lebensrettende
Erste-Hilfe-Maßnahmen durch Einsatzkräfte, wenn der Verletzte aufgrund der
Gefahrenlage noch nicht an den Rettungsdienst übergeben werden kann. Das Team
der Firma Einsatzmedizin.net vermittelte zunächst Grundlagen. Am Folgetag galt
es in einer anspruchsvollen Abschlussübung, das Erlernte anzuwenden. FX-Trainingsmunition
(Simunition), Irritationswurfkörper, lautstarke Beschallung und professionell
geschminkte Verwundetendarsteller sorgten dabei für den notwendigen Stress.
Stoppen starker Blutungen mittels Tourniquet, während plötzlich ein zweiter "verwundeter Kollege" auftaucht. Vorne ein Medic-Pack von Zentauron. Foto: JPW |
Fordernder
Wettkampf
Der
Vergleichswettkampf unter Federführung des SEK M-V am dritten und damit letzten
Veranstaltungstag bildete einen weiteren Höhepunkt.
Zwei-Mann-Team im Wettkampf. Foto: JPW |
Vier Übungen galt es im
Team zu bewältigen, dazu kamen noch zwei Einzelwertungen. Frank Thiel: „Bei dem
Wettkampf geht es bei weitem nicht nur um das Schießen, sondern vor allem um Köpfchen
und Taktik. Dabei sollen die Teilnehmer auch ihre Erkenntnisse aus den
Workshops umsetzen.“. Neben Stages mit beweglichen Zielen, Barrikaden oder erst
auf den zweiten Blick als „Freund-oder-Feind“ zu identifizierenden Zielscheiben
gab es dieses Jahr auch eine „Kommunikations-Disziplin“. Hier
war das Buddy-Team voneinander getrennt, je ein Schütze auf einer benachbarten
Bahn ohne Sichtkontakt.
Zielbeschreibung... |
...und -bekämpfung. Fotos: JPW |
Jeder hatte vier unterschiedliche Gebäudefotografien
als Zielscheiben vor sich, in deren Fenstern Golfbälle als Ziele eingebaut
waren. Der Buddy gab dann anhand einer kleinen Handkarte über Funk eine genaue
Beschreibung des Gebäudes sowie die Position des Zieles durch. Das musste der
Schütze dann identifizierten und den jeweiligen Golfball treffen. Anschließend
gab er eine Zielbeschreibung an den Buddy durch. Das ganze ging natürlich auf
Zeit.
Highlight
dieses Jahr bildete wiederum der Hindernisparcours, die „Abschluss-Challenge“.
Die Teams starteten vorne an der Zehn-Meter-Marke in dem „Car-Shooting-Auto“
sitzend und arbeiteten sich dann über diverse Schießhalte und Hindernisse auf
die 100-Meter-Marke zurück – in Einsatzbekleidung und mit einer ABC-Schutzmaske.
Von dort galt es, mit Selbstlade- und Präzisionsgewehr die letzten Schüsse ins
Ziel zu bringen – nach Klettern, Balancieren und Sprinten bei brennender Sonne
und Temperaturen von über 30 Grad kein leichtes Unterfangen.
Schießen mit SIG 516 (hinten) und Haenel RS8 (vorne) unter ABC-Schutzmaske von Avon. Foto: JPW |
Die Kategorien,
in denen Wertungen vorgenommen wurden, sorgten für viele verschiedene Gewinner
und Platzierte – doch aus Wettkampfergebnissen lassen sich keine Rückschlüsse
auf den Einsatzwert von Spezialkräften schließen. „Dass hier Profis trainieren
sieht man an dem hohen Können selbst der Kollegen, die nicht auf den vordersten
Plätzen landen“, so ein Wettkampfbeobachter aus dem Innenministerium M-V.
„Kleine Messe“
- Informative Industrie
Der Special
Forces Workshop hat sich auch bei der Industrie als wertvolle Austauschbörse fest
etabliert und so bot eine umfangreiche Tischausstellung zusätzliche
Informationsmöglichkeiten über neue Produkte und Projekte. Avon Protection, Blackhawk, Haix,
5.11 Tactical und Zentauron zeigten ihre taktische Ausrüstung und Bekleidung, Newco
Safety Technologies stellte seine umfangreiche Palette an pyrotechnischen
Irritationswurfkörpern vor. Sinn Spezialuhren zu Frankfurt am Main und Laco führten
ihre Zeiteisen vor. Optiken und Optonik gab es bei I-E-A Miloptics, Rheinmetall
Electro Optics, Schmidt & Bender und Steiner zu sehen, gleichzeitig trugen
einige der Testwaffen Zielfernrohre oder Rotpunktoptiken aus diesen Häusern.
Auch Aimpoint und Carl Zeiss Optronics hatten Visierungen für diverse Workshops
bereitgestellt.
Sako TRG M10 in .338 Lapua Magnum (vorne) und .308 Winchester (hinten). Foto: JPW |
Caracal mit neuer Verschlussform und kurzer Visierlinie. Foto: JPW |
Selbstladegewehr von Tactics Group/Sport Systeme Dittrich, basierend auf dem FG42. Foto: JPW |
Weitere
„Bonbons“: Die Teilnehmer konnten brandneue Produkte ersten praktischen Tests
unterziehen, darunter das neue modulare Präzisionsgewehr SAKO TRG M10, die
Pistole L9 von Steyr-Mannlicher oder erste Versionen der auf dem
Fallschirmjägergewehr FG42 basierenden Selbstlade- und Präzisionsgewehre der
Tactics Group/Sport Systeme Dittrich. Und auch weitere Waffenhersteller wie
Caracal, Haenel oder Walther zeigten ihre aktuellen Produkte und stellten sie
auch zum Ausprobieren im „scharfen Schuss“ bereit.
Wirkung der MEN 9 x 19 mm Armour Piercing im Vergleich zur Polizei-Einsatzpatrone auf Stahlplatte. Foto: JPW |
MEN, der
Munitionsspezialist aus Nassau, führte in Kooperation mit Schmeisser die
Wirkung diverser Patronen auf
Schutzwesten vor. So durchschlug die 9-mm-Trainingspatrone wie gewünscht den
Aufbau der Schutzklasse 1 nicht, während sich andere Kaliber selbst von
Schutzklasse-4-Westen nicht halten ließen.
Fazit
Nicht nur bei
den Workshopteilnehmern stieß der 4. SFW auf ein durchweg positives Echo. „Der
„Special Forces Workshop“ hat sich dank dem Engagement vieler fleißiger Helfer
zu einer festen Größe im Bereich der Spezialeinheiten entwickelt. Nicht zuletzt
die Schirmherrschaft und der Besuch des Ministers für Inneres und Sport M-V,
Herr Lorenz Caffier, unterstreichen dies. Der SFW ist Beleg dafür, was aus
einer Idee werden kann, wenn man ein Ziel konsequent verfolgt. Insbesondere die
Mischung aus Vermittlung von anspruchsvollen Inhalten, Information,
Erfahrungsaustausch sowie Wettkampf machen den SFW zu einer mittlerweile exklusiven
Veranstaltung. Die Qualität der Veranstaltung spiegelt sich auch in dem enormen
Zulauf wieder und bringt die Organisatoren jedes Jahr an ihre Grenzen.“ so der
Leiter der Spezialeinheiten des LKA M-V.
Neben
Fortbildungen und Wettkampf schweisst auch der kameradschaftliche Austausch die
Gemeinschaft der Gesetzeshüter enger zusammen. Ein zünftiger Abschlussabend
bildete dann auch den Abschluss des 4. Special Forces Workshops. Und viele Teilnehmer
freuen sich schon jetzt auf die fünfte Ausgabe im nächsten Jahr.
Volltreffer! Hier mit Benelli M4. Foto: JPW |
Text&Fotos: Jan-Phillipp Weisswange
Besten Dank und ein kräftiges "Horrido" an alle Organisatoren und Teilnehmer!