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Freitag, 23. August 2019

NITEX 2019 - Polizei und Bundeswehr üben für die maritime Sicherheit


Wilhemlshaven/Oldenburg (ww) Im Rahmen der NITEX 2019 haben Polizei und Bundeswehr erstmals die gemeinsame Bewältigung einer terroristischen Bedrohungslage auf der Nordsee geübt. Die „Niedersächsische Terrorismusabwehr Exercise (NITEX)“ fand am 22. August 2019 unter Leitung der für die Bewältigung maritimer Bedrohungslagen im niedersächsischen Küstengebiet zuständigen Polizeidirektion Oldenburg statt. Der praktischen Großübung lag das Szenario eines geplanten Anschlags auf die Hafenanlagen in Wilhelmshaven zu Grunde.
Die Cap San Diego diente als Zielschiff (Foto: Polizeidirektion Oldenburg)
In dem Übungsszenario hatten Terroristen ein - eigens für die Übung angeheuertes - Frachtschiff unter deutscher Flagge gekapert. Dabei handelte es sich um die „Cap San Diego“, die eigentlich als Museumsschiff im Hamburger Hafen liegt. Um an das Zielschiff heranzukommen, wurden Spezialeinsatzkräfte der Polizei vom Einsatzgruppenversorger BONN der Deutschen Marine zu Wasser gelassen. Unter Einsatz von Festrumpfschlauchbooten, Special Forces Water Crafts  und Hubschraubern nahmen die SEK-Kräfte die "Cap San Diego".
SEK-Kräfte bei der Einsatzvorbereitung auf dem EVG BONN (Foto: Polizeidirektion Oldenburg)
Mit ihren  Zugriffsmaßnahmen stellten sie dann die Sicherheit an Bord des Frachters wieder her. Insgesamt waren an der NITEX rund 400 polizeiliche Einsatzkräfte beteiligt. 29 Wasserfahrzeuge und vier Hubschrauber kamen zum Einsatz.
Neben der federführenden Polizeidirektion Oldenburg waren zahlreiche weitere Bundes- und Landesbehörden sowie Einsatzorganisationen an der Übung beteiligt: Wasserschutzpolizeiinspektion Oldenburg, Nordverbund des Spezialeinsatzkommandos (SEK Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg), GSG 9, Bundespolizei, Deutsche Marine, Niedersächsische Hafenbehörde sowie die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Ablegen der Einsatzkräfte in festrumpfschlauchbooten und Special Forces Water Crafts (Foto: Deutsche Marine)
Am Tag vor der praktischen Großübung fand im Rahmen der NITEX bereits eine Stabsrahmenübung statt, bei welcher der Einsatz konzeptionell und logistisch unter Führung der Polizeidirektion Oldenburg vorbereitet wurde. Insbesondere wurden dabei - in Annahme einer terroristischen Gefahrenlage - die Genehmigungsabläufe zwischen Polizei und Bundeswehr geübt. An der Stabsrahmenübung waren auch die Polizeiinspektionen Cuxhaven sowie Wilhelmshaven/Friesland beteiligt.
„Die Zusammenarbeit über Landes- und Behördengrenzen hinweg hat ausgezeichnet funktioniert und ist durch die Übung noch einmal intensiviert worden", sagte Johann Kühme, Präsident der Polizeidirektion Oldenburg. Die NITEX habe viele Erfahrungswerte geliefert, durch welche die Einsatz- und Handlungssicherheit für alle beteiligten Behörden, Organisationen und Einheiten gestärkt worden sei. Kühme bedankte sich auch ausdrücklich bei der Deutschen Marine, die die Polizei bei der Übung in technischer und logistischer Hinsicht unterstützte.
Zugriffsformation im Sichtschutz der BONN (Foto: Deutsche Marine)
"Einsätze auf hoher See stellen auch für unsere erfahrenen SEK-Beamten eine besondere Herausforderung dar. Insofern war es mir wichtig, daß die Spezialeinsatzkräfte die Übung durchführen können. Sie erhalten durch dieses Training wertvolle Erkenntnisse", sagte Kühme und lobte das Zusammenspiel der im Nordverbund zusammengeschlossenen Spezialeinsatzkommandos.
„Ein Terror-Anschlag wie der des heutigen Szenarios ist trotz der sorgfältigen Arbeit der Sicherheitsbehörden nie ausgeschlossen. Umso wichtiger war diese Übung, um für ein solches Szenario bestmöglich vorbereitet zu sein und die Menschen schützen zu können. Wir haben heute in einer sehr ungewöhnlichen Situation alle relevanten Systeme der Sicherheitsbehörden erfolgreich getestet“, sagte der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, der die NITEX vor Ort verfolgte.
Gemeinsames Pressestatement mit Innenminister Pistorius (Foto: Polizeidirektion Oldenburg)
Innenminister Pistorius bekräftigte, daß es derzeit keine konkreten Hinweise auf einen bevorstehenden Terroranschlag in Niedersachsen gebe. Angesichts der allgemeinen momentanen Gefährdungslage in der Bundesrepublik müsse man dennoch auf viele Szenarien vorbereitet sein.
"Die Übung hat gezeigt, daß die niedersächsische Polizei für den Ernstfall sehr gut aufgestellt ist", betonte Pistorius. Gleichwohl habe die NITEX auch bestätigt, daß die Polizei bei der Bewältigung einer terroristischen Bedrohungslage im maritimen Bereich unter Umständen sowohl in personeller als auch logistischer Hinsicht auf die Unterstützung der Marine angewiesen sein könnte. "In einem solchen Katastrophenfall würden wir unter den geltenden Voraussetzungen des Grundgesetzes auf jede sinnvolle Unterstützung zurückgreifen, die etwa seitens der Bundeswehr bereitsteht", sagte Pistorius, stellte aber klar: "Für die Innere Sicherheit in Niedersachsen ist zuallererst die niedersächsische Polizei zuständig." Abschließend bedankte sich der Innenminister bei allen Beteiligten für die großartige Arbeit vor und während des Einsatzes.
Es ist eine der ganz großen Kuriositäten deutscher Sicherheitspolitik, daß der Einsatz von Bundeswehrsoldaten zum Schutz ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Inland als politisch hochsensibel gilt - anderswo in Europa ist das eine Selbstverständlichkeit. Immerhin ist nach Art. 35 Abs. 2 des Grundgesetzes ein Einsatz der Bundeswehr im Innern bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall zur Hilfeleistung zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein besonders schwerer Unglücksfall unter bestimmten Voraussetzungen auch bei der unmittelbar drohenden Gefahr von Terroranschlägen vorliegen.