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Donnerstag, 16. Mai 2019

Kommentar: Drohnen raus aus den Denkfabriken - keine Denkverbote!

Berlin, Hamburg (ww) Das German Institute for Defence and Strategic Studies, der neue deutsche Strategie-Think-Tank an der Führungsakademie der Bundeswehr, nahm sich kürzlich des Themas Drohnen an. Nach Einschätzung von Ulrike Franke, Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (und mit Thomas Wiegold Begründer des Podcasts Sicherheitshalber),  besitzen 90 bis 100 Länder mittlerweile Militärdrohnen. Rund 30 haben „große Militärdrohnen“ (womit Unmanned Aerial Systems gemeint sein dürften, deren Fluggeräte über 600 Kilo wiegen und über 20 Stunden Flugdauer aufweisen). Etwa ein Dutzend Länder verfügt, so Franke, über bewaffnete Drohnen.
Im Rahmen der Veranstaltung zeigte sich, wie sehr die deutsche Diskussion der Thematik Drohnen einmal mehr hinterher hinkt.
Auf der IDEX2019 präsentierten die Streitkräfte der UAE das Szenario Schwarmangriff mit UAS. (Foto: JPW)
Insbesondere die bewaffneten Versionen scheinen vielen Meinungsträgern hierzulande als Teufelszeug zu gelten, welches man am liebsten ächten würde – man fühlt sich bei der Debatte an den einstigen Kirchenbann der Armbrust erinnert. Auch die Gefahr durch Kleindrohnen brachte man hierzulande meist mit ärgerlichen Flugverspätungen in Verbindung, wie etwa in Gatwick (Dezember 2018) oder jüngst Frankfurt (Mai 2019).
Bekanntermaßen half der Kirchenbann gegen die Armbrust nichts, und auch bei der Drohnen-Thematik erscheint es überfällig, die Denkfabriken zu verlassen. Dies um so mehr, als daß die Bundeswehr seit Auflösung der Heeresflugabwehrtruppe derzeit über kaum eine Möglichkeit verfügt, sich vor der Bedrohung durch Drohnen - insbesondere Klein- und Kleinstdrohnen - zu schützen. Daß mit Hilfe solcher Aufklärungs- und Kampfmittel ganze Bataillone zerschlagen werden können, hat spätestens der Ukraine-Konflikt gezeigt. Dem verlustreichen Raketenangriff auf ukrainische Truppen bei Zelenopillya (11. Juli 2014) gingen Aufklärungsflüge offensichtlich mit Orlan-10-Drohnen voraus. Loiterfähige Kampfdrohnen, die sich in einer Art „Kamikaze-Modus“ auf erkannte Ziele stürzen, zählen ebensowenig zur Zukunftsmusik sondern sind seit Jahren Realität. Die Proliferation dieser Technologie führt überdies dazu, daß Kampfdrohnen selbst durch asymmetrisch operierende Kräfte eingesetzt werden. Erst im Januar 2019 griffen Houthi-Rebellen im Jemen eine Militärparade an und töteten sechs Menschen, darunter einen hochrangigen Nachrichtendienst-Offizier. Der massenhafte Angriff mit Klein- und Kleinstdrohnen – sogenannte Schwarmangriffe – dürfte hierzulande bisher ebenfalls nur in kleineren Expertenzirkeln diskutiert werden. Er zählt aber zweifellos zu den realistischen Bedrohungen auf den Gefechtsfeldern der nahen Zukunft.
Höchste Zeit also, die Drohnendiskussion ohne Denkverbote anzugehen! Ja, wir brauchen eine entsprechende Debatte, wie Streit- und Sicherheitskräfte sich selbst und andere vor Bedrohungen durch UAS bzw. UAV schützen können. Und wir brauchen eine Debatte, wie sich Streitkräfte diese Technologie bei den eigenen Operationen zum Schutz eigener Kräfte zu Nutze machen können – auch bewaffnet.

Jan-Phillipp Weisswange