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Mittwoch, 30. Januar 2019

Ein näherer Blick auf den 60. Bericht des Wehrbeauftragten: Personal- und Materiallücken, Bureaucratie und Übertechnologisierung

Berlin (ww) Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages legte gestern seinen Jahresbericht vor. Ich halte das Dokument bekanntermaßen für Pflichtlektüre, weshalb ich gerne darauf hinweise.
Genaueres hinschauen lohnt sich! (Foto: Bundeswehr/Jana Neumann)
Was mir bei genauerer Betrachtung auffiel:
Der Bericht benennt einmal mehr, daß zwar die Trendwende Finanzen gute Rahmenbedingungen schaffe, die Trendwenden Material und Personal jedoch noch nicht ausreichend greifen würden – auch, weil sich die Bundeswehr durch Überbureaucratisierung selbst lähme. „Zu wenig Personal auf der einen, fehlendes Material auf der anderen Seite: Oftmals trifft Lücke auf Lücke.“ Dennoch: Der amtierende Wehrbeauftragte spricht – ganz im Sinne des in Berlin vorherrschenden sicherheitspolitisch kurzsichtigen Konsenses – ein mögliches Ende der Aussetzung der Wehrpflicht nicht einmal an. Die letztes Jahr andiskutierte Dienstpflicht taucht nur als Bestandteil des Wortes „Dienstpflichtverletzung“ in seinem Bericht auf.
Kurioserweise plant das BMVg – so ist dem Dokument zu entnehmen – eine neue Art des Wehrdienstes, nämlich den „Wehrdienst zur temporären Verbesserung der personellen Einsatzbereitschaft“. Immerhin: Wenn dereinst kriegsbedingte Verluste die personelle Einsatzbereitschaft der Stolzen Streitmacht senken sollten, ließe sich so wenigstens Kanonenfutter rekrutieren. Im Ernst: Wirkliche sicherheitspolitisch glaubwürdige, aufwuchs- und durchhaltefähige Wehrfähigkeit wird sich nur durch eine vernünftig ausgestaltete Wehrpflicht bzw. Dienstpflicht realisieren lassen. Man muss es allerdings wollen.


Ein interessanter Vorschlag betrifft die beschleunigte Beschaffung und Ausgabe moderner Bekleidung und persönlicher Ausrüstung:
Die Phasen der Entwicklung, Erprobung und Zertifizierung sind abgeschlossen. Deshalb sollte neben den großen Plan der Vollausstattung bis 2031 ein kleineres Sofortprogramm treten, das den Schwerpunkt auf die persönliche Ausrüstung aller Soldatinnen und Soldaten legt. Dies würde bei den Soldaten den Eindruck verstärken, dass die Trendwenden wirklich begonnen haben und nicht nur auf dem Papier stehen.



Erfrischend sind ebenso die Ausführungen des Wehrbeauftragten zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf dem Gefechtsfeld, die sich beispielsweise durch Übertechnologisierung oder Informations-Overkill bemerkbar machen:
Die robuste Truppenlösung ist genau so nötig wie die Hightech-Modernisierung. Sind also unsere Panzer, Schiffe und Flugzeuge nicht mittlerweile zu hoch gezüchtet, störanfällig und von außen manipulierbar? Was geht noch, wenn nichts mehr reagiert?

Oder:
Im Informations- und Befehlsfluss muss es neben modernster Technik weiterhin auch eine verlässliche analoge Lösung geben, die durch gut ausgebildete, charakterfeste, entscheidungsfreudige militärische Vorgesetzte und Soldatinnen und Soldaten in der „Schlammzone“ unter allen denkbaren Umständen beherrscht werden kann.



Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, daß es den gesamten 60. Bericht hier als pdf zum Herunterladen gibt.


https://www.bundestag.de/parlament/wehrbeauftragter